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„Wir können nicht alle Flughäfen stillegen“

■ Versprochenes Flugverbot über der Strecke Misau-Nordenham nicht eingehalten/ BürgerInnen protestieren/ Sprecher des Verteidigungsministeriums: Gemeint waren nur die Ausbildungs- und Übungsflüge/ Wiesbadener Innenministerium schweigt

Nordenham/Frankfurt a.M. (taz) Ohne Zwischenfälle ist gestern auch der fünfte der sieben Giftgaszüge in Nordenham angekommen. Dort demonstriert inzwischen Greenpeace gegen die Verschiffung in den Pazifik. „Kein Giftgas in die Südsee — zurück zum Hersteller“, fordern die Umweltschützer auf Transparenten auf den Schiffen, die vor dem gesperrten Hafen kreuzen. Die Demonstration soll bis zur geplanten Verschiffung der 102.000 Granaten am Mittwoch oder Donnerstag andauern.

Inzwischen protestieren Hessens BürgerInnen gegen den andauernden Flugverkehr während des Giftgastransportes. Der hessische Innenminister Gottfried Milde (CDU) hatte nämlich am 4. September den Landräten der hessischen Landkreise, durch die die Giftgaszüge nach Nordenham rollen, einen Brief geschrieben: „Während der Schienentransporte der C-Waffen“ — so Minister Milde — „wird der gesamte militärische lokale Nachtflug und Nachttiefflug zwischen Miesau und Nordenham in der Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt.“ Für den zivilen Luftverkehr, so Innenminister Milde weiter, würden „ähnliche Einschränkungen“ zeitgleich in Kraft treten.

Die Landräte waren's zufrieden, insbesondere deshalb, weil sich Milde ausdrücklich auf eine Erklärung des Bundesministers für Verteidigung (BMV) berufen hatte. Wie andere Landräte auch gab der Groß- Gerauer Landrat Willi Blodt (SPD) die Informationen des Innenministers pflichtgemäß an die Bürgermeister des Kreises weiter.

Doch die staunten nicht schlecht, als bereits während des ersten Giftgastransportes durch das Kreisgebiet der Flugverkehr auf dem Rhein- Main-Flughafen und der angrenzenden Air-base unvermindert anhielt. Auch die Beamten der Polizeistation Groß-Gerau registrierten zu dieser Zeit „über zehn Flugbewegungen“ — „darunter mindestens zwei Militärmaschinen“.

Bei Landrat Blodt liefen die Telefone heiß. Die AnruferInnen fühlen sich verschaukelt. So sprach etwa der sozialdemokratische Bischofsheimer Bürgermeister Berthold Döß, durch dessen Gemeinde eine der Giftgastrecken führt, von der „scheinheiligen Vorgaukelung von Sicherheit“ und meldete im Landratsamt „scharfen Protest“ gegen den Bruch des zugesagten Flugverbots an.

Diesen „scharfen Protest“ gab der Landrat inzwischen an den Innenminister weiter. Blodt fordert von Milde die umgehende Aufklärung dieses „skandalösen Vorgangs“. Doch während man sich im Wiesbadener Innenministerium in Schweigen hüllt und Mildes Pressereferat lediglich eine Eingabe der Grünen zum Thema als „unverantwortliche Panikmache“ zurückwies, interpretierte ein Sprecher des Bundesministers für Verteidigung das Schreiben von Stoltenberg auf seine Weise. Oberstleutnant Fischer (BMV) erklärte in Bonn, daß die angekündigte „Aussetzung der gesamten militärischen lokalen Nachtflüge und Nachttiefflüge“ lediglich die Ausbildungs- und Übungsflüge betreffe. Der normale Flugverkehr — ob zivil oder militärisch — sei von dieser Anordnung nicht betroffen. Fischer: „Wir können doch wegen dem Giftgaszug nicht alle Flughäfen der Republik stillegen.“ Klaus-Peter Klingelschmitt

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