Recyclingfirma „entsorgt“ mit eigener Methode

Amtlicher Gutachter stellt 180 Milligramm Quecksilberbelastung pro Kilogramm auf dem Gelände von „Schüller“ fest/ Reinstes Chemielabor in der Erde/ Münchner Umweltinstitut fordert Schließung/ Exmitarbeiter belasten die Firma  ■ Von Klaus Wittmann

„Die Firma Schüller ist ein bundesweit anerkanntes Recycling-Unternehmen“ und: „Hiermit ist eindeutig bewiesen, daß von unserem Betrieb keinerlei Gesundheitsgefahren ausgehen.“ Zwei Erklärungen aus Pressemeldungen der Nersinger Recycling GmbH Schüller, gegen die bereits seit Monaten wegen schwerer Umweltverstöße ermittelt wird. Alle Vorwürfe, die bislang gegen den Betrieb erhoben wurden, hat die Firmenleitung pauschal als „Rufmordkampagne des Nersinger Bürgermeisters“ oder der Presse zurückgewiesen.

Jetzt bekannt gewordene amtliche Gutachten sprechen eine andere Sprache: 180 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Boden wurden auf dem Firmengelänge gemessen, daneben auch noch Arsen, Kupfer, Cadmium, Zink, Antimon, Nitrit und Nitrat. Und auch das Grundwasser ist nach Auskunft der Staatsanwaltschaft bereits belastet, wenngleich hier keine so hohen Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden.

180 Milligramm — für Leo Frühschütz vom Müncher Umweltinstitut ein Horrorwert. Noch streiten die Experten, ob der angemessene Grenzwert für Quecksilber nun ein oder zwei Milligramm zu sein hat — oder vielleicht gar nur 0,14 Milligramm, wie vor kurzem bei einem Symposium in Frankfurt gefordert wurde.

Es steht allemal fest: Die Werte, die in Nersingen gemessen wurden, „liegen jenseits von Gut und Böse“, empört sich Leo Frühschütz, der als einzig logische Konsequenz die sofortige Schließung der Firma Schüller fordert. „Ein Bodenaustausch ist bei solchen Wahnsinnswerten unumgänglich“, sagt Frühschütz. Auch die amtlichen Gutachter der Staatsanwaltschaft kommen zu dem Schluß, „eine Gesundheitsgefährdung durch Inhalation“ sei nicht auszuschließen“.

Pikant an den jetzt bekannt gewordenen Meßergebnissen ist, daß die seinerzeit von der Gemeinde Nersingen beauftragten Gutachter längst zu ähnlichen Ergebnissen und Schlußfolgerungen gekommen waren. Genau diese Gutachten wurden allerdings von den verantwortlichen Behörden immer wieder angezweifelt. Die Staatsanwaltschaft Memmingen beauftragte prompt einen eigenen Gutachter. Inzwischen muß der Leitende Oberstaatsanwalt zugeben, daß sich sogar der immer als üble Verleumdung abgetane Vorwurf, bei der Firma Schüller seien Leiterplatten eingeschmolzen worden, erhärtet hat.

Für die Menschen, die im Umkreis der Firma Schüller leben, hat womöglich den ganzen Sommer über eine erhebliche Gefährdung bestanden, sagt Leo Frühschütz. „Zusätzlich zu den erhöhten Ozonwerten könnte es bei diesen Meßergebnissen durchaus sein, daß Quecksilberdämpfe in erheblichem Ausmaß freigesetzt wurden.“ Quecksilber verflüchtige sich sehr leicht, vor allem, wenn es — wie in Nersingen — in den oberen Bodenschichten abgelagert sei.

Experten halten angesichts der neuesten Meßergebnisse der Staatsanwaltschaft eine Untersuchung der Gärten, Felder und der Bewohner im Umfeld der Firma Schüller für unumgänglich.

Exmitarbeiter von Schüller hatten eine ganze Reihe von Umweltverstößen zu Protokoll gegeben: Entleeren von Chemikalientanks bei Regen auf der Autobahn, verbotene Einschmelzvorgänge, Boden- und Luftverunreinigungen. „Alles falsch, sonst würden ja wohl die Behörden handeln“, kommentierte der Juniorchef Jörg Schüller, der alle Vorwürfe zurückwies.

Jetzt wurde, unabhängig von den Ermittlungen wegen schwerer Umweltverstöße, bekannt, daß gegen die Firma Schüller ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet wurde. Jörg Schüller erklärte dazu auf Anfrage: „Wir sind dazu noch nicht gehört worden.“