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Kunst-Tauchen in Reichsmarschall Görings Landsitz Karinhall

■ Das Ostberliner Zentrale Kriminalamt sucht nach verschollenen Kunstschätzen

Hohenschönhausen. Eos, die Göttin der Morgenröte, hebt jubelnd ihre Arme empor. Sie gleicht einer 100-Meter-Läuferin, die gerade das Ziel erreicht hat. Leider ist der Unterarm dieser sportlichen Schönheit zusammengedrückt, denn Eos wurde vor 45 Jahren unsanft in einen See geworfen. Vor gut zwei Monaten erblickte die überlebensgroße Bronzefigur des NS-Auftragskünstlers Arno Breker zusammen mit vier anderen Skulpturen wieder das Tageslicht. Jetzt stehen die algen- und muschelüberzogenenen Statuen in einem ehemaligen Stasi-Objekt in Berlin-Hohenschönhausen und warten in klassischer Pose auf ihr weiteres Schicksal.

Aufgespürt wurden sie von Mitarbeitern einer Kunst-Task-Force des Ostberliner Zentralen Kriminalamtes (ZKA). Die Kulturschutzabteilung besteht erst seit Juni dieses Jahres und beschäftigt sich unter anderem mit dem Aufspüren von verschollene Kunstschätzen. Referatsleiter Hartmut Sächting konzentrierte sich auf das Areal von Karinhall, dem ehemaligen Landsitz des Nazi- Reichsmarschalls Hermann Göring. Der 50 Kilometer nördlich von Berlin in der Schorfheide gelegene Ort ist seit jeher legendenumwoben, denn der zweitmächtigste Mann des Dritten Reichs hatte hier seine riesige Kunstsammlung untergebracht.

Sie bestand zuletzt aus über 2.000 Objekten, darunter 1.300 Gemälden, die aus ganz Europa zusammengeraubt und -gekauft worden waren. Die Göring-Kollektion wurde zwar vor Kriegsende in drei Sonderzügen nach Süddeutschland geschafft und das Landhaus gesprengt, doch Marmor- und Bronzeskulpturen wurden entweder vergraben oder in den nahen See geworfen. »Es bot sich an, hier noch einmal nachzusehen, zumal es Zeitzeugen gab«, sagt Harmtut Sächting vom ZKA.

Die ZKA-Kulturforscher wurden in fünf Meter Wassertiefe fündig. Die Taucher der Treptower Feuerwehr zogen drei zentnerschwere Bronzeskulpturen des Bildhauers Arno Breker aus dem Schlamm: Eos, »Anmut« und die »Schreitende«, alles germanische Schönheiten, die zwischen 1939 und 1941 geschaffen worden sind und im Garten des Nazifürsten Göring gestanden haben sollen. Ferner war eine »Frau mit Hirschkuh« des Bildhauers Krückeberg dabei und eine Kopie der »Venus von Medici«. »Die ist so massiv, die hätten wir fast nicht hochbekommen«, erinnert sich einer der ZKA- Mitarbeiter.

Früher wurden solche Kunstnachforschungen vom Ministerium für Staatssicherheit organisiert. Wie erfolgreich die Spürhunde vom MfS waren, kann Sächting nicht beurteilen. Heutzutage schmückt sich gerne DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel mit spektakulären Kunstfunden; auch Hinweise auf das legendäre Bernsteinzimmer will er erhalten haben. Dieses ehemalige Zarenzimmer war im Zweiten Weltkrieg von den Nazis aus der Sowjetunion gestohlen worden und gilt seit 1945 als verschollen.

Arno Brekers 2,20 Meter hohe Seemadonnen sind kein leichter Fund. Breker, der unlängst noch das Kunstmäzenaten-Ehepaar Ludwig porträtierte, ist seinem Ruf als »Parteistukkateur« der Nazis bis heute nicht losgeworden.

Während des Dritten Reiches reichlich mit Aufträgen unter anderen für das Berliner Olympiastadion eingedeckt, verwies er nach dem Krieg seine Kritiker auf hochrangige Auslandsresonanz: »Stalin schickte zweimal nach mir.« Christian Böhmer

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