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Beitritt nicht per Krankenschein

■ Berliner Ärzte sehen ambulante Versorgung der Bevölkerung in Gefahr/ Hauptkritik: Getrennter Haushalt der Krankenkassen für Ost- und West-Berlin/ Unzureichende Vergütung im Osten der Stadt

Berlin. Die ambulante medizinische Versorgung der Berliner Bevölkerung ist ab 1991 »in Gefahr«. Dies befürchten Berliner Ärzte aus Ost und West, wenn das Gesundheitswesen keine Geldspritze in Form einer Anschubfinanzierung von der Bundesregierung erhält.

Kritisiert wurde vor allem, daß die sich auf Ost-Berlin erstreckenden Krankenkassen ab 1991 einen gesonderten Haushalt für die Versicherten im Ostteil der Stadt aufstellen müssen und Ausgaben ausschließlich aus dortigen Einnahmen abgedeckt werden sollen. Der bei dem Einigungsvertrag bis Ende 91 festgeschriebene Beitragssatz von 12,8 Prozent liege zudem nicht nur nahezu zwei Prozent unter dem im Westteil der Stadt, ihm lägen außerdem erheblich geringere Löhne zugrunde. Durch steigende Arbeitslosigkeit werde das Beitragsvolumen noch weiter sinken. Fazit der Ärzte: Werde das Finanzdefizit nicht aus Steuermitteln behoben, könnten die Krankenkassen keine ausreichenden Vergütungen in der ambulanten Versorgung zahlen.

Die Festlegung der ärztlichen Vergütungen im Osten auf 45 Prozent der ihrer westlichen Kollegen widerspräche ebenfalls einer Sicherstellung der ambulanten Versorgung: Schließlich müßten davon neben Geräten auch das mittlere medizinische Personal bezahlt werden, Monatsmieten für Gewerberäume in Höhe von 40 DM pro Quadratmeter seien bereits keine Seltenheit mehr. Schon jetzt hätten die Banken Kreditzusagen für niederlassungswillige Ärzte wieder zurückgezogen. Dies aber mache das erklärte Ziel des Einigungsvertrags zunichte, die private Niederlassung von Ärzten zu fördern.

Gesundheitssenatorin Stahmer und Gesundheitsstadtrat Zippel reagierten gestern mit Verständnis auf die »Sorge der niederlassungswilligen Ärzte« und »drängen« die Bundesregierung erneut, eine höhere Anschubfinanzierung für die Krankenkassen zu bewilligen. Sprecher Gallon: »Und zwar nicht nur aus Steuermitteln, sondern auch durch verschärfte Kürzungen im Rüstungshaushalt.« Die ambulante medizinische Versorgung im Ostteil der Stadt sei aber nach der Vereinigung in keinem Fall gefährdet. Polikliniken und Ambulatorien sollen nicht geschlossen, sondern innerhalb von fünf Jahren »dem westlichen Finanzierungssystem angepaßt« werden. Um ihre Finanzierung sicherzustellen, werden sie und die weiteren bestehenden ambulanten Einrichtungen mit ihren Einnahmen und Ausgaben 1991 in den Haushaltsplan des Landes Berlin aufgenommen. maz

Kundgebung unter dem Motto »Gesundheitsversorgung in Berlin gefährdet« heute um 15 Uhr auf dem Platz vor dem Reichstag.

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