: DDR-Gebiet bald ohne AusländerInnen?
■ Nach einer Entlassungswelle verlassen die meisten AusländerInnen die DDR/ Nur 10.000 wollen bleiben/ Die Bleibewilligen zahlen Wuchermieten und fliegen aus den alten Wohnheimen
Berlin (taz) — Auf dem Gebiet der heutigen DDR wird es in kürzester Zeit kaum noch ausländische ArbeitnehmerInnen geben. Der wirtschaftliche Zusammenbruch führt dazu, daß von den derzeit knapp 70.000 AusländerInnen nur wenige in der DDR bleiben können. Und die offen ausländerfeindliche Stimmung in der Noch-DDR trägt das ihre dazu bei, die zu Zeiten des SED-Regimes verpflichteten ausländischen ArbeitnehmerInnen außer Landes zu treiben. Die Ausländerbeauftragte der Ostberliner Regierung, Almuth Berger, schätzte die Zahl derer, die in der DDR bleiben wollen, auf 10.000.
Noch leben 54.000 VietnamesInnen, 13.900 MosambikanerInnen und 950 AngolanerInnen in der DDR. Sie wurden im Rahmen bilateraler Abkommen für eine befristete Zeit als Arbeitskräfte ins Land geholt. Jetzt haben die meisten von ihnen ihre vorzeitige Kündigung erhalten. Zur Überbrückung werden ihnen für drei Monate 70 Prozent des alten Nettolohnes geboten. Die Arbeitgeber zahlen eine Abfindungssumme von 3.000 Mark — den Rückflug gibt es kostenlos. Wenn ein Unternehmen diese geringe Abfindungssumme nicht zahlen kann, springt das Finanzministerium ein.
„Wenn Entlassungen anstehen, wird grundsätzlich die ausländische Belegschaft zuerst hinausgeworfen“, beklagte jüngst die Magdeburger Ausländerbeauftragte Verena Ahrens. Auch die Regierungsbeauftragte Berger bestätigt, daß die AusländerInnen als erste auf der Straße stehen — wenngleich sie versucht, Verständnis für die Entscheidung der Betriebe aufzubringen. Immerhin bleibe den Betroffenen die Möglichkeit, einen Aufenthaltsantrag zu stellen und sich arbeitslos zu melden.
Wer bleiben will, muß sich aber neben einem neuen Job auch um eine neue Unterkunft kümmern. Bis jetzt leben AusländerInnen zusammengedrängt in Wohnheimen. Die müssen sie in den nächsten drei Monaten verlassen. Auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt der DDR werden ihnen die schlechtesten Chancen eingeräumt. In der verbleibenden Zeit versuchen die Betriebe, die im Besitz von Wohnheimen sind, kräftig abzuschöpfen. Obwohl viele in den Mehrbettzimmern nicht einmal über die vorgeschriebenen fünf Quadratmeter verfügen, nehmen einige Betriebe im Raum Magdeburg ihren MieterInnen statt der bisherigen 30 Ostmark bis zu 250 D-Mark ab — und das bei einem Nettoverdienst zwischen 300 und 700 Mark.
Obwohl etwa in Vietnam demokratische Verhältnisse fehlen, haben bleibewillige VietnamesInnen keine Aussicht auf Asyl. Einige haben es in der BRD versucht, doch nach Kenntnisstand der Ausländerbeauftagten Berger ist bislang kein Asylantrag positiv beschieden worden. Axel Kintzinger
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