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Eine Wäscherin macht Geschichte

Benedita de Silva, erste schwarze Frau im Parlament von Brasilien/ Die Abgeordnete der Arbeiterpartei gehört auch einer evangelischen Sekte an PORTRAIT  ■ Von Astrid Prunge

Putzfrauen und Wäscherinnen gehören ins Parlament, das nächste Staatsoberhaupt Brasiliens ist eine Frau: Davon träumt Benedita de Silva, die erste weibliche schwarze Parlamentsabgeordnete in Brasilien. Sie ist die einzige Abgeordnete, die es vermag, das Plenum der Parlamentarier zum Schweigen zu bringen. Denn die 559 Kongreßmitglieder, sieben davon mit dunkler Hautfarbe, spüren, daß Benedita weiß, wovon sie spricht. Vor 48 Jahren kam sie in der Holzbaracke eines der zahlreichen Favelas in Rio de Janeiro zur Welt.

Zusammen mit ihren 13 Geschwistern verkaufte sie Erdnüsse und Limonen auf der Straße, um den schmalen Unterhalt der Eltern aufzubessern. Nach vier Jahren Grundschule stieg sie als Putzfrau und Wäscherin ins Berufsleben ein. Mit Mitte dreißig, als die Kinder erwachsen waren, gelang ihr noch eine Ausbildung als Krankenschwester. In der Favela begann auch Beneditas politische Karriere. Als Vorsitzende der Anwohnervereinigung von „Chapéu Mangueira“ sorgte sie dafür, daß „ihr Hügel“ Wasser und Strom bekam und ans städtische Kanalisationssystem angeschlossen wurde. 1982 zog sie als Kandidatin der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) erstmals in den Gemeinderat von Rio de Janeiro ein, 1986 wurde sie für die PT ins Parlament gewählt.

„Hier gehöre ich hin, hier ist mein Leben“, erklärt die Abgeordnete und deutet stolz auf das großzügige, weißgetünchte Haus, das sie mit ihrem Mann in den vergangenen 17 Jahren mühsam aufgebaut hat. Das Einfamilienhaus mutet im Vergleich zu den anderen Favela-Behausungen wie eine Villa an.

Benedita de Silva überweist monatlich ein Drittel ihrer Diät an die PT. Zehn Prozent spendet sie für soziale Zwecke, und ein weiteres Zehntel fließt in die Kasse der evangelischen Sekte „Assembleia de Deus“ (Versammlung Gottes), der sie ebenfalls angehört. Benedita versteht sich als Vertreterin der unzähligen Enkelinnen ehemaliger Sklaven, die heute ein elendes Dasein in den Slums der Großstädte fristen und in Brasilia keine Lobby haben. An den Mythos der brasilianischen Rassendemokratie glaubt sie nicht: „Zwar haben die Nachkommen der Sklaven die eisernen Ketten abgeschüttelt, doch dafür sind sie im Elend der Favela eingesperrt.“ Mit einem Hilfsprogramm für die sieben Millionen überwiegend dunkelhäutigen Straßenkinder Brasiliens hofft die Abgeordnete bei den Wahlen am 3. Oktober erneut den Einzug ins Parlament zu schaffen.

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