: Russische Regierung macht ernst
Der neue Innenminister Rußlands hält sich nicht mehr mit Reden auf und beginnt tatsächlich die Strukturen in seiner Verwaltung zu verändern / Auch die Partei darf nicht mehr hineinreden ■ Aus Moskau K.H. Donath
Gerade mal vier Wochen steht Viktor Barannikow an der Spitze des Innenministeriums der Russischen Föderation und schon liegt ein Programm vor, mit dem das Ministerium von Grund auf umgemodelt werden soll. In einem ersten Schritt will Barannikow alle politischen Hauptverwaltungen auflösen, die bisher der KPdSU die Kontrolle über sämtliche Vorgänge im Ministerium gesichert hatten. „Im System des Innenministeriums der Russischen Föderation wird es keine Parteikomitees mehr geben“, meinte Barannikow, der selbst noch Mitglied der Partei ist. Die Reformen sehen vor, „der Bevormundung der Republikorgane durch irgendeine Partei“, für immer einen Riegel vorzuschieben.
Die Miliz kann sich nun darauf konzentrieren, ihrer rein beruflichen Aufgabe nachzukommen und allein „Gesetz und Volk dienen“, wie es ursprünglich auch einmal gedacht gewesen sei. Allerdings räumte der Minister ein, verläuft der „Prozeß der Übergabe der Vollmachten sehr schmerzhaft“. Das ändert jedoch nichts an der Entschlossenheit, sich „vom bürokratischen Erbe“ ein für allemal zu trennen. Von nun an müssen die Sicherheitsorgane nur noch dem Ministerrat der Republik gegenüber Rechenschaft ablegen. Und um den Nachwuchs in einem anderen Geiste zu erziehen, plant das Innenministerium, eine neue Ausbildungseinheit auf die Beine zu stellen.
Mit der Verbrechensbekämpfung allein ist die Miliz schon überfordert. 70 Prozent aller kriminellen Delikte in der UdSSR entfallen auf die Russische Föderation. Tendenz steigend. Barannikow macht dafür die miserable wirtschaftliche Lage verantwortlich, die solche Erscheinungen wie Disziplin- und Verantwortungslosigkeit noch befördere. „Rechtsnihilismus“ gehöre zum sowjetischen Alltag und habe heute „Formen eines offenen Widerstandes gegen das Gesetz“ angenommen hat. In ihrer jetzigen Verfassung sei die Miliz diesen Aufgaben nicht gewachsen. Zunächst müßte ersteinmal in den eigenen Reihen gesiebt werden. Die bisher 25 unterschiedlichen Milizabteilungen werden zu sieben Einheiten zusammengefaßt und erhalten weitergehende Vollmachten, um selbständiger zu arbeiten. Die Sonderabteilung BHSS, der es bisher oblag, den „Diebstahl sozialistischen Eigentums“ zu bekämpfen, wird demnächst auch zum Schutze „privaten Eigentums“ eingesetzt.
Im Gegensatz zur Union hat die Russische Regierung die Initiative für die Reormen ergriffen. In ähnlicher Weise müßte woanders auch vorgegangen werden.
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