: Die Chronik der Trennung
■ Eine Erinnerung an die ersten Nachkriegsjahre der Sozialdemokratie
1945:Nach zwölfjährigem Verbot der SPD durch die Nazis gehören Sozialdemokraten zu den ersten, die politisch aktiv sind. Es gibt zunächst drei Zentren, die die Führung der Sozialdemokratie beanspruchen: Der in London ansässige SPD-Exilvorstand, das in Hannover gegründete Büro mit Kurt Schumacher sowie der in Berlin entstandene Zentralausschuß um Otto Grotewohl, der den Zusammenschluß mit der KPD befürwortet. Im Oktober treffen sich in Wennigsen bei Hannover sozialdemokratische Funktionäre der Westzonen mit Mitgliedern der ehemaligen Exilleitung der SPD aus London und einer Delegation des Berliner Zentralausschusses als Gäste. Schumacher wird zum politischen Beauftragten für die Westzonen ernannt. Der Zentralausschuß soll als Parteileitung für die Ostzone arbeiten. Das Gremium spricht sich im Februar 1946 für die Vereinigung mit der KPD aus.
1946:Der Parteitag im Mai in Hannover, auf dem Kurt Schumacher Vorsitzender wird, spricht sich gegen die Vereinigung von SPD und KPD aus, die einen Monat zuvor im Osten Deutschlands mit der Gründung der SED durchgesetzt worden war. In Berlin existiert die SPD bis 1961 noch im Ostteil der Stadt. Die SPD legt in ihrem in Hannover beschlossenen Politischen Leitsätzen ein kompromißloses Bekenntnis zur Demokratie, Menschlichkeit und Achtung vor der menschlichen Persönlichkeit ab und wendet sich gegen einen „kommandierten Kasernensozialismus“. Sie tritt ein für die Sozialisierung der Schlüsselindustrien, die Planung der Wirtschaftsprozesse und eine weitgehende Mitbestimmung. Im gleichen Monat gründet Kurt Schumacher das Ostbüro der SPD (bis 1971) als Instrument der Auseinandersetzung mit den Kommunisten und Kontaktstelle für die Sozialdemokraten im Osten, die vielfach Verfolgungen ausgesetzt sind. Nach jüngsten Angaben des Kurt- Schumacher-Kreises wurden über 5.000 Mitglieder der Ost-SPD zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Davon seien 400 in der unmenschlichen Haft umgekommen, über 1.000 seien nach der Entlassung an den Haftfolgen gestorben.
1948:Mit 846.518 Mitgliedern ist die SPD zu dieser Zeit die mitgliederstärkste Partei in den Westzonen.
1949:Bei den Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag stimmen etwa sieben Millionen Bundesbürger (29,2 Prozent) für die SPD.
1950:Der Hamburger Parteitag spricht sich gegen die Remilitarisierung aus.
1952:Ein Parteitag verabschiedet das Dortmunder Aktionsprogramm. Erich Ollenhauer wird als Nachfolger des verstorbenen Kurt Schumacher SPD-Vorsitzender.
1955:Die SPD stimmt gegen die Pariser Verträge und fordert den Aufschub des Nato-Beitritts.
1959:Ein Parteitag verabschiedet das Godesberger Programm. Die SPD sei eine Partei der Freiheit des Geistes. Den Kommunisten wird als Verfälschern sozialistischen Gedankengutes eine Absage erteilt. Gesellschaftliche Kontrolle soll nicht mehr durch förmliche Vergesellschaftung, sondern durch Verknüpfung von Rahmenplanung, Investitionslenkung, Wettbewerbskontrolle, Mitbestimmung und Tarifautonomie erreicht werden. Der Markt wird als wichtigstes Mittel für die Wirtschaft anerkannt. Die Landesverteidigung wird bejaht.
1960:Herbert Wehner bejaht vor dem Bundestag die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Nato.
adn
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