: Scherfs Kulturpolitik vor dem Aus
■ Grobeckers Kulturhaushalt: Nur Kürzungen / Senat vertagt Beschluß / SPD-Fraktion soll entscheiden
Vor zwei Wochen in der Bürgerschaft gab sich Henning Scherf noch optimistisch. Nach ersten Gesprächen mit Finanzsenator Claus Grobecker, so meinte Scherf damals, sei die Kulturpolitik auf einem „guten Wege.“ Inzwischen sieht es eher so aus, als führe der Weg für freie Theater und sonstige Kulturgruppen direkt in den Abgrund. Denn entgegen der Erwartungen von Scherf sieht der Haushaltsplanentwurf für 1991 bislang keine einzige zusätzliche Mark für Kulturförderung vor.
Sparen, sparen, sparen, heißt das Motto für das kommende Haushaltsjahr. Allen Ressorts soll auferlegt werden, bei den Kosten der Verwaltung (Konsumptive Ausgaben) sechs Prozent einzusparen. Die Investitionen sollen global um drei Prozent gekürzt werden. Da bei gesetzlich vorgeschrieben Aufgaben nicht gekürzt werden kann, bringen diese Einsparungen insgesamt etwa ein Prozent. Um die Folgen dieser globalen Kürzungen aufzufangen, werden 90 Millionen Mark bereitgestellt. Die Kultur soll nach den bisherigen Planungen dabei leer ausgehen.
Sollte die SPD-Fraktion in ihrer Haushaltssitzung am Montag keine einschneiden Änderungen beschließen, wäre Henning Scherf als Kultursenator bereits nach einem dreiviertel Jahr gescheitert. Denn bei Amtsantritt hatte er mit Wedemeier und Grobecker eine Abmachung getroffen. Nach einem halben Jahr wollte Scherf ein sogenanntes Sommerpaket schnüren, in dem er Perspektiven für seine drei Abteilungen Schule, Wissenschaft und Kultur aufzeigt und den finanziellen Mehrbedarf aufschlüsselt. Ein Kernpunkt dieses Pakets: Der Einstieg in eine bessere Finanzierung der Kulturgruppen. Fünf Millionen Mark für 1991 sollten es sein, eine Summe, die sich in den kommenden Jahren steigern sollte. Und auch für das laufende Jahr 1990 sollte es Verbesserungen geben. So beschloß die Deputation für Wissenschaft und Kunst, für dieses Jahr im Haushalt 1,86 Millionen Mark für Kulturgruppen zusammenzusuchen. Ein Großteil des Geldes wurde aus einer laufenden Finanzierung des Deutschen Schiffahrtsmuseums umgewidmet. Diese Gelder müssen 1994 nachbewilligt werden. Und damit soll es, geht es nach einer Vorlage aus dem Hause Grobecker auch sein Bewenden haben. Weiteren Wünschen wird eine klare Absage erteilt. Zwar habe Scherfs Resort „nicht quantifizierte Zusatzbedarfe“ angemeldet, doch die Voraussetzungen für eine Veranschlagung seien nicht gegeben. Darüber hinaus macht Grobecker deutlich, daß er auch nach einer genauen Anmeldung der Projekte, nicht an eine Aufstockung des Etats denkt. Die Umwidmung der Schiffahrts- Museums-Gelder sei bereits „ein erhebliches Entgegenkommen“ gewesen, „so daß für weitere Mittelaufwenungen — abgesehen von den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten — kein Raum ist.“ Der Senat mochte sich am Dienstag in Abwesenheit von Scherf nicht endgültig festlegen.
Mit diesem Sparkurs setzt sich Grobecker auch in Widerspruch zu einem Papier, daß eine SPD- Arbeitsgruppe Mitte Juni dem Landesvorstand zugeleitet hat, und über das der Landesparteitag noch zu beschließen hat. Darin wird unter anderem gefordert, als Sofortmaßnahme drei Millionen Mark zur Förderung der freien Kunst einzustellen, und den Kulturetat bis 1995 auf drei Prozent zu steigern (derzeit 0,8 Prozent). Begründung: „Kunst und KünstlerInnen können ohne Förderung nicht existieren. Wir werden daher ihre Arbeit in größerem Umfang als bisher unterstützen.“ Die von der Partei geforderten Korrekturen am Kulturprogramm seien zwar weitgehend Regierungsprogrammn geworden, aber bis heute nicht ausreichend umgesetzt. „Wir fordern deshalb Senat und SPD-Bürgerschaftsfraktion auf, dies mit Nachdruck noch in dieser Legislaturperiode nachzuholen.“ Am Montag hat die SPD-Fraktion letzte Gelegenheit, dies zu tun. Am kommenden Donnerstag wird dann die Haushaltsdeputation zur letzten Haushaltsrunde antreten. Ein Zeitdruck, der Scherf im Nacken sitzt. So versuchte er in den letzten Tagen am Rande des SPD-Parteitags in Berlin Bürgermeister Klaus Wedemeier und den SPD-Fraktionsvorsitzenden Claus Dittbrenner zu Korrekturen an Grobeckers Kultursparprogramm zu bewegen.
hbk
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