: 200 arbeiten, 7.800 hoffen
■ Die neue Zeitrechnung: Opel/AWE = „Vectra/Wartburg“/ Große Pläne für das Automobilwerk Eisenach/ Der „Wartburg“ läuft vorläufig weiter vom Band
Rüsselsheim (taz) — Nachdem VW in Zwickau einmarschiert ist und dort die „Trabant“-Werke okkupiert hat, will sich der zweitgrößte deutsche Automobilhersteller, die Adam Opel AG in Rüsselsheim, nicht nachsagen lassen, in der deutschen Sache investitionsunwillig zu sein: Für 20 Millionen DM baute Opel — in Zusammenarbeit mit den Automobilwerken Eisenach (AWE) — in der thüringischen Stadt ein Fertigungswerk für das jüngste Mittelklassekind der US-Tochter, den „Vectra“. Neben der reduzierten Produktion des an den legendären „Borgward“ erinnernden „Wartburg“, will das Gemeinschaftsunternehmen Opel-AWE GmbH in Eisenach jährlich rund 10.000 Exemplare dieses „besonders wirtschaftlichen Automobils“ (Opel) vom Band rollen lassen — mit einem 75 PS starken 1,6 Liter Einspritzmotor aus der Rüsselsheimer Motorenschmiede.
Und der Vorstandsvorsitzende der Opel AG, der US- Amerikaner Louis R. Houghs von der Opel-Mutter „General Motors“, hat noch weitere Pläne. In allernächster Zukunft, so Houghs, soll in Eisenach ein Montagewerk errichtet werden, in dem dann 150.000 Fahrzeuge jährlich produziert werden können: „Es ist unser Wunsch, die Tradition des Automobilbaus in Eisenach aufrecht zu erhalten“, erklärte Houghs anläßlich der Vertragsunterzeichnung mit den AWE im März dieses Jahres. Der eigentliche Hintergrund des Engagements der Opel AG in Eisenach dürfte jedoch ein anderer sein: Dem Hauptkonkurrenten auf dem deutschen Automobilmarkt, eben der VW/Audi AG in Wolfsburg und jetzt auch in Zwickau, darf der Ostmarkt nicht alleine überlassen werden — und europaweit hat Opel schließlich seinen Spitzenplatz zu verteidigen.
„Flächendeckende Präsenz“ heißt das Zauberwort für die Marktstrategen in Rüsselsheim und Detroit, denn der Publikumsliebling „Vectra“ wird bereits in Izmir (Türkei), in Antwerpen (Belgien), in Luton (England) und in Rüsselsheim produziert. Darüberhinaus kocht in Rüsselsheim die Gerüchteküche: Opel scheint an einer Übernahme des maroden Saab-Konzerns interessiert zu sein, um den noch maroderen Volvo-Werken in Schweden den endgültigen Todesstoß versetzen und damit den skandinavischen Markt beherrschen zu können. Und mit dem Standort Eisenach hat Opel nun auch das Tor zum brachliegenden Markt Osteuropa aufgestoßen.
Mehr als zweihundert Opel-Vertragshändler stehen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR heute schon bereit, den „Vectra“ aus Eisenach unters Ostvolk zu bringen — alle geschult in den westeuropäischen Trainingszentren des Konzerns. Und seit Juni läuft die Ausbildung für die ehemaligen „Wartburg“-Autobauer aus Eisenach auf Hochtouren.
Schließlich müssen die wenigen Werktätigen, die zur Fertigung des „Vectra“ noch gebraucht werden, die automatischen Fließbänder und die Schweißroboter, die von der „neuen Zeitrechnung“ (Opel) künden, auch bedienen können.
Nur 200 Autowerker werden für die Produktion der 10.000 „Vectras“ jährlich gebraucht — alle anderen 7.800 MitarbeiterInnen der AWE hoffen, sich mit Kurzarbeit bis zur Entscheidung über das neue AWE/Opel-Montagewerk über die Runden retten zu können. Denn noch sei die Auftragslage beim „Wartburg“ so schlecht nicht, wie ein Sprecher der Opel AG auf Anfrage mitteilte. Vor allem aus den RGW-Ländern und der Dritten Welt seien fortlaufend Auftragseingänge zu verzeichnen. Opel: „Der „Wartburg“ ist schließlich ein wartungsfreundliches Automobil.“ Klaus-Peter Klingelschmitt
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