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Schwein für eine Mark

■ 150 Jahre Grünmarkt in Vegesack

„Er waret aufgewogen mit Äpfeln und Kartoffeln. Und sein Gewicht ist, Schimpf und Schande über ihn, sage und schreibe zweihundertneunundvierzig Pfund“, verkündet lauthals der Mann an der Stadtwaage bzw. deren Nachbau von 1566. Die Leute bleiben stehen und bewundern den Mann in seinem mittelalterlichen Kostüm.

Historischer Markt in Vegesack. Im Rahmen des sechsten Vegesacker Herbstfestes feiert der Wochenmarkt (in Bremen- Nord sagt man „Grünmarkt“) seinen hundertfünfzigsten Geburtstag.

Dementsprechend haben sich die Marktmänner und -frauen zurechtgemacht: Die BesucherInnen staunen über Äpfel in großen Körben, Kartoffeln in Säcken und über Futter pickende Puter und Hennen. Neben Kleingetier blöken Schafe über den Sedanplatz, wo gewöhnlich der Grünmarkt stattfindet.

Auch die „MarktschreierInnen“ haben sich verkleidet: die Frauen mit langen Kleidern, Hüten oder Kopftüchern. Die Männer tragen derbes Lodenzeug, Fischerhemden und Holzpantinen.

Der „Grünmarkt“ gilt heute, neben dem Findorffer Wochenmarkt, als einer der größten in Bremen. Bei seiner Gründung allerdings hatten die damaligen Macher erstmal mit der widrigen politisch-geographischen Lage zu kämpfen.

Vegesack (es besaß noch keine Stadtrechte) war bremische Exklave. „Für die Versorgung der städtischen Bevölkerung“, so alte Quellen, beantragte der Amtmann Dr. G.C. Kulenkamp beim Senat die Marktrechte für den Ort. Jedoch: die Umsätze blieben am Anfang bescheiden, weil die Landleute aus dem Vegesack umgebenden Hannoverschen nur fünf Pfund Butter auf den Markt tragen durften und die Käuferschicht nur rund 3.400 Menschen (so viel Einwohner hatte Vegesack) umfaßte. So mußte man denn auch auf die Erhebung von Marktgeld verzichten. Erst ab 1858 mußten die VerkäuferInnen einen Courant-Groten zahlen, ab 1870 einen Silbergroschen.

Das Angebot umfaßt damals wie heute Eier, Obst, Gemüse und allerhand lebende Viechereien. Am Samstag, dem am besten besuchten Tag, gibt es zusätzlich „Spezialitäten“, wie Hosenträger und Putzmittel. Solch eine hatte auch einer der SchreierInnen am Sonntag in Form einer Tombola parat: „Ein Schwein für nur eine Mark. Das ist in einer Woche garantiert stubenrein. Dann scheißt es Ihnen nur noch in die Küche.“ ubu

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