Langes Warten auf die neue Pappe

■ In der Gesamtberliner Führerscheinstelle herrscht seit der Vereinigung Trubel/ Ostberliner Amt hat Arbeit eingestellt Umschreiben von Ost-Pappen jetzt nicht nötig/ Dennoch liegen schon 20.000 Anträge vor/ Probleme bei Taxi-Scheinen

Kreuzberg. »Ich will meinen Ersatzführerschein abholen«, sagt der junge Mann mit Lederjacke. »Keine Chance«, sagt der Wachmann vor der Hoftür der Puttkamerstraße 16, »das Amt ist völlig überfüllt.« Als der Mann einwendet, daß er nun über das Wochenende keine Lizenz zum Fahren habe, zuckt der Zerberus mit den Achseln. Eine eventuelle Strafe, so der Uniformierte, müsse eben hingenommen werden — als »Wiedervereinigungsgebühr«.

Im Landeseinwohneramt Abteilung »Fahrerlaubnisse und Personenbeförderung« herrscht der Ausnahmezustand. Obwohl das Amt erst um 7.30 Uhr öffnet, bildet sich ab 6 Uhr eine Schlange, die sich bis zur Friedrichstraße hinzieht. Spätestens um 10 Uhr heißt es: »Nichts geht mehr«. Nur Behördenbesucher mit festen Terminen dürfen die Hoftüre passieren, ebenso Leute, die wegen P-Scheinen oder Taxi-Konzessionen kommen. Das Hauptportal ist mit einem Rollgitter verschlossen.

Die Puttkamerstraße ist nach der Vereinigung auch für den gesamten Berliner Osten zuständig. Das Amt in der Nähe des Alexanderplatzes hat seine Arbeit zum 1. Oktober eingestellt. 70 Mitarbeiter der Volkspolizei und der Meldestellen seien zwar schon zur Verstärkung angerückt, erklärt Referatsleiter Lutz Rackow, allerdings müßten die erst einmal eingearbeitet werden. Warum kamen die Mitarbeiter aus dem Osten nicht früher? Angefordert habe man sie schon vor Monaten, aber die Politik...

Stundenlange Wartezeiten werden von vielen Ostberlinern in Kauf genommen, die möglichst schnell ihre Führerscheine auf westliche Formulare umschreiben lassen wollen. »Nicht nötig«, meint Rackow, denn die alten Papiere sind auch weiterhin gültig. Übrigens auch länger als ein Jahr, was viele Übersiedler nicht wissen, die die Puttkamerstraße zusätzlich mit 20.000 Umschreibeanträgen beglückt haben. Auch dieser Pappenberg ist noch nicht vollständig abgetragen. Dazu kommt noch das Umschreiben der Ostberliner Taxi-Konzessionen: alle bekommen eine neue Nummer, um nicht mit den Westberlinern verwechselt zu werden.

In den Warteräumen des Amtes staut sich das Publikum. Ein Mittdreißiger aus Johannistal berichtet von einem »Führerscheinboom« im Osten. Denn viele wollen aufs Auto umsteigen, wenn die Bus- und S-Bahn-Preise in Zukunft kräftig steigen. Ein Taxifahrer aus Ost-Berlin berichtet, daß man in der »Personenbeförderungs«-Abteilung noch nicht wisse, wie die Ost-P-Scheine verlängert würden. Er solle in einem Monat noch einmal anrufen, wurde ihm beschieden. Zum Glück, so meint er, gelte seine Lizenz bis Weihnachten. Eine Kollege sei schlechter dran, denn seine Lizenz laufe jetzt aus. Er müsse wohl eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Christian Böhmer