Tod und Hochzeit: Das Leben selbst

■ Ost-westliche Fusionen/ Neues von der Buchmesse Frankfurt

Frankfurt (taz) — Tod und Hochzeit, die großen alten Themen der Menschheitsgeschichte, warfen ihre Schatten auch auf diese Messe. Die Eheschließung zwischen Unseld d.Ä. und seiner Muse Ulla B., deren nähere Umstände ein namentlich Ungenannter im 'Zeit‘- Feuilleton schon geißelte („Der Mann! Der Chef! Der Bräutigam!“), ist von der Branche noch unverdaut (an den allfälligen Kommentaren ablesbar, die sich, Wurmfortsätzen gleich, an jedwede Rede schließen, die über Suhrkampf geführt wird) — da gibt es schon von einer weiteren, wahrhaft elefantösen zu berichten: Es fusionierten aufs hochzeitlichste (denn für einen Partner war es hohe Zeit, für den anderen diese schon überschritten) der 'Sonntag‘ und die 'Volkszeitung‘. Erstere, ein respektables Wochenblatt für Kunst und Kultur aus der ehemaligen DDR, hatte wohl Angebote von diversen gutsituierten Partnern (auch eine Wochenzeitung in HH wurde genannt), zielte aber auf eine moderne, also gleichberechtigte Beziehung und wählte dafür die 'Volkszeitung‘, für gußeiserne Avantgarde eine Garantie. Die 'Volkszeitung‘, gemeinsam mit dem Pahl-Rugenstein-Verlag letztjährig in Konkurs gegangen, konnte durch großzügige Spenden ihrer Leserschaft im März in West-Berlin ein neues Leben beginnen und teilt dies von nun an mit dem 'Sonntag‘. Erstmalig erscheinen wird man am 9. Oktober. Das „Frei“ im neuen Titel 'Freitag‘ ist rotgedruckt zu denken.

Nun zum Tod: Caroline von Monacos Mann, dessen Namen ich wieder vergessen habe, starb bei einem denkbar überflüssigen Sport, nämlich dem Motorbootrennen, in der Nacht auf den dritten November. Flexibel genug reagierte nur die 'Bild‘-Zeitung. (Die konnte ja auch zur Hochseit von Unseld d. Ä., pünktlich zu Goethens Geburtstag in Frankfurt am Main, mit einem aktuellen Interview aufwarten, indem sie die schwarz- rot-gold Bereifung der Wiedervereinigungsausgabe in der Mitte zum Schwarz-Weiß hin umbrach. Das Buch zum Tod ist noch nicht erschienen, wird aber gewiß nicht lange auf sich warten lassen.

Nach Tod und Hochzeit das dritte Elementarthema: die rituelle Speisung. Ein Kollege war von mir mit einer Eintrittskarte in den „Hessischen Hof“ ausgestattet worden, wo der Staat Österreich mit einem Buffet, guten Weinen und landsmännischen Autoren von Handke bis Artmann selbstbewußt lockte. Auflage: Berichterstattung anderntags. Meine vampirhafte Erwartung (Blutzufuhr: Erlebnis) wurde aber enttäuscht: Der Kollege berichtete, daß er bei seiner Ankunft 10 Minuten nach Beginn des Empfangs die österreichische Unterrichtsministerin, die angeblich eine Rede halten wollte, schon nicht mehr anzutreffen das Glück hatte. Sie wurde weggesperrt, und niemandem schien etwas zu fehlen. Statt dessen standen etwa 120 Herren in Hechtgrau und ebensoviele Damen in Mopsbraun, ganz und gar nicht dezent geschminkt, angelegentlich herum und hatten die Backen voll bis unter die Fontanelle. Vom Buffet war rein gar nichts mehr übrig, statt dessen lagen die Werkzeuge der Nahrungsaufnahme in der unappetitlichsten Weise überall herum, und er nahm aus reinem Ekel davon Abstand, ein letztes eingerunzeltes Baguette mit einem letzten Klumpen Butter zu bestreichen. Der einzig gesichtete Autor schien Artmann zu sein, der einen sittsamen Eindruck hinterließ, weil er offenbar schon zu Hause gespeist hatte. So blieb uns die Erkenntnis, daß es nichts taugen würde, Österreich anzuschließen, obgleich es solche Pläne geben mag: Diese Körper sind dem Volk keine Bereicherung. Elke Schmitter