: SHORT STORIES FROM AMERICA VONMARCIAPALLY
Auch wenn Mr. Bush für seine Position im Nahostkonflikt noch so viele Komplimente einheimst: Ich frage mich doch, wie lange die USA sich seinen Mannesmut leisten können. Natürlich ist es schön, wenn Amerika etwas zustande bringt, worüber die Japaner einmal nicht in Gelächter ausbrechen — aber könnte Bush im Glanz seines Heiligenscheins nicht doch die Kosten aus dem Auge verloren haben?
Ich kann seine Verblendung verstehen, zumal er seine Präsidentenausbildung in Reagans Beverly Hills-Clique absolvierte — jenem Beverly Hills, wo Eltern ihren Kleinen Geburtstagsparties ab 250 Dollar pro Gast ausrichten (wie ich in der 'Vogue‘ las). Vielleicht hat Bush seither etwas übertriebene Vorstellungen davon, was er den US-Bürgern an Steuern zumuten kann. Aber wir, die wir nicht in Beverly Hills leben, wissen, daß es auch eine Grenze gibt, und es hat Präsidenten gegeben, die beim Überschreiten dieser Grenze ins Stolpern gerieten. Bush wird so manches sein wollen, aber ein Lyndon Johnson sicherlich nicht.
Seit kurzem grummelt die US-Presse über Bushs „Gefummel“ im Juli, als er Husseins Pläne nicht rechtzeitig ernst nahm. Und Kongreß und Weißes Haus schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. Der Kongreß macht dem Präsidentenbüro zum Vorwurf, daß Irak überhaupt Waffen bekam, und Bushs Leute antworten, schließlich sei es der Kongreß gewesen, der die Waffenverkäufe für den Krieg zwischen Iran und Irak bewilligt habe. Wer am lautesten schreit, gewinnt.
Aus Furcht vor dem Lyndon-Syndrom haben sich US-Präsidenten seither bei ihren Kraftmeiereien auf würdige Gegner wie Grenada und Panama beschränkt — wobei in diesem Lande der Drogenhandel seit den Zeiten des ordnungsliebenden Noriega nun auf das dreihundertfache gestiegen ist (wie ich der ‘New York Times‘ entnehme). Anscheinend vermochte sein System von Zwangsabgaben die Drogenkanäle durch Panama in einem Maß unter Kontrolle zu bringen, das die Fähigkeiten der US-Armee übersteigt. Womit ich wieder beim Nahen Osten wäre, bei der erwarteten Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte — und ihrem Preis.
Ich denke dabei nicht nur an die 25 Milliarden Dollar, auf die die militärischen Kosten geschätzt werden. Ich zähle auch Ausgaben wie die 145.000 Dollar für vergoldete Kronleuchter, mit denen die US-Luftwaffe ihre Offiziersclubs schmückt — jedenfalls nach dem Augustbericht eines Rechnungsprüfers (145.000 Dollar für wohlgemerkt einen Club). Ich denke auch an die 1,5 Millionen für Golfplätze der Luftwaffe, obwohl der Kongreß noch 1985 die Disziplin und Härte aufbrachte, solche Ausgaben auf Kosten des Steuerzahlers abzulehnen. Seien wir realistisch: Es gibt einfach nicht genug Grün in der arabischen Wüste, jedenfalls nicht genug für die Bedürfnisse des zunehmenden US-Personals. Es gibt noch nicht einmal genug Offiziersclubs: Offensichtlich müssen sie erst noch gebaut werden. Daher frage ich mich nach dem Preis einer militärischen Denkweise, der zufolge Kronleuchter für 31.800 Dollar pro Stück (statt der vorgesehenen Modelle zu 15.900 Dollar) ausgewählt werden, weil — so die Begründung in einem offiziellen Bericht — „billige Kronleuchter nicht im selben Maße architektonische Akzente setzen können wie die verwendeten (kostspieligeren) Kronleuchter“.
Ich frage mich, ob die amerikanische Wirtschaft sich diese Belastung leisten kann zu einem Zeitpunkt, zu dem die voraussichtlichen Kosten für die Sanierung der US-Sparkassen dreimal höher liegen als das gegenwärtige US-Defizit — zu zahlen aus Steuergeldern; während im Durchschnitt täglich 173 US-Firmen Konkurs anmelden und staatlich subventionierte Finanzinstitute 50 Millionen jährlich an Bankräuber verlieren, jedoch 100 Millionen jährlich durch Betrug und Unterschlagung der Angestellten.
Wichtiger noch: Kann der normale Amerikaner den Preis einer militärischen Nahostlösung tragen, wenn in vielen Städten zur Kleidung der Schulkinder nun auch kugelsichere Westen gehören? Bei Preisen zwischen 250 und 600 Dollar wird klar, warum viele Eltern in den Städten eher der Meinung sind, sie müßten ihre eigene militärische Lösung finanzieren. Der Sicherheitsfirma Guardian Group International zufolge kann man sich zusätzlichen Schutz gegen verirrte Kugeln durch kugelsichere Schultaschen und Clipboards verschaffen — zum Preis von jeweils 300 Dollar. Die Guardian Group, die in diesem Herbst den Handel mit kugelsicherer Kleidung in Schwung bringt, bietet auch kugelsichere Sportjacken, Büroanzüge, Aktentaschen und Regenschirme an. Ihr Sortiment an Pelz- und Ledermänteln beginnt bei 3.000 Dollar und reicht bis zu einem russischen Zobel für 80.000 Dollar.
Vor einigen Wochen sah es so aus, als ließe sich Mr. Bush von den finanziellen Nöten des amerikanischen Normalverbrauchers beeindrucken. Schließlich hat er Westdeutschland gebeten, sich an den Nahost-Kosten zu beteiligen. Aber Westdeutschland muß sich um Ostdeutschland kümmern, mit seiner kaputten Wirtschaft, 350.000 ostdeutschen Arbeitslosen in diesem Sommer und der Aussicht auf Arbeitslosigkeit für über eine Million. Obwohl die USA daher an europäischer Unterstützung im Nahen Osten nicht viel zu erwarten haben, hören Amerikaner eine solche Statistik kommunistischen Scheiterns doch immer wieder gern — fröhlich summen wir die Neuauflage von Frank Sinatras berühmter Melodie „They'll do it our way“.
Dummerweise läßt uns das auf unserer Nahost- Rechnung sitzen. Das macht mir Sorgen, denn obwohl die amerikanische Presse und die Politiker alle möglichen Lösungen anbieten, dauern sie doch alle ihre Zeit — und das hat eine Menge Kies für Sonnenöl und Golfplätze zur Folge. Für den Boykott gilt das allemal — und außerdem: Wenn Hussein nun in Reaktion auf den Boykott mit einem Angriff auf Israel und Saudi-Arabien droht, steht uns sicherlich ein längerer Krieg ins Haus. Schlagen die USA als erste zu, stehen wir als Imperialisten da — als der einzige Drache, der die Araber zum Kampf einen kann. Dieser Aspekt der irakischen Propaganda täte wirklich weh. Schließlich mögen die arabischen Völker einiges gegen ihre Diktatoren und Monarchien einzuwenden haben, aber auf keinen Fall werden sie an einer Invasion der amerikanischen Demokratie mehr Gefallen finden als die Vietnamesen.
Seit einiger Zeit geht eine Lösung durch den Kopf: der Lärmangriff. Er ist schnell, gewaltlos und billig. Auf die Idee brachte mich der Eigentümer eines Geschäfts in Tillicum, Washington, vor dessen Schaufenster die örtlichen Bart-Simpson-T-Shirts, tragbaren Radios, Lederhalsbänder und orangenen Punkköpfe ihre Versammlungen abhielten. Er vertrieb den Feind, indem er eingängige Muzak aus dem Laden blies. Unter diesem Trommelfeuer floh die Heavy Metal-Armee.
Die Southland Corporation, Besitzer der größten Einzelhandelskette des Landes, hat die Lärmtaktik eingeführt — unter dem Namen „unaggressive Abschreckung“. Das erscheint mir als annehmbare militärische Strategie. In Panama hat die Armee dies bereits ausprobiert, als sie Noriega mit dem verhaßten Rock‘n Roll beschallte. Sollten wir das im Irak nicht wenigstens versuchen?
Kürzlich geriet US-Luftwaffengeneral Michael Dugan in Schwierigkeiten mit dem Weißen Haus, weil er ausplauderte, daß die USA erwägen, Hussein in seinem privaten Wohnsitz zu bombardieren — zusammen mit seiner Frau, seinen Kindern und sogar seiner Geliebten. Aber wenn wir ihn einfach mit Lautsprecherwagen einkreisen... Mit welcher Musik? Der Mossad wird's wissen.
Aus dem Amerikanischen von Meino Büning
GOLFKRIEG?IRAK—BOYKOTT?WIEWÄR'SMITEINEMLÄRMANGRIFF?
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