Blumen für die Satellitenstädte

■ Hellersdorfer Bürgermeisterin will die Buga gar nicht haben/ Breite Kritik an SPD-Plänen, die Gartenschau von der Stadtmitte in die Ostberliner Trabantenstädte Hellersdorf und Marzahn zu verlegen/ Buga-Chef droht mit seinem Rücktritt

Berlin. Überraschende Pointe im Streit um das 200-Millionen-Markt- Projekt Buga 1995: Der Bezirk Hellersdorf will die Bundesgartenschau überhaupt nicht übernehmen. Die Hellersdorfer Bürgermeisterin Marlitt Köhnke (SPD) wandte sich gestern in einem Gespräch mit der taz gegen die Absicht von Teilen ihrer Partei, die Buga aus der Stadtmitte in die Neubaubezirke Marzahn und Hellersdorf zu verpflanzen. Köhnke sprach von einer »an den politischen Haaren herbeigezogenen Diskussion, die ich im Grunde nicht durchschaue«. Eine Ostausweitung des bisherigen Buga-Konzepts auf Gebiete des Stadtbezirks Mitte sei dagegen eine »gute Sache«, meinte die Bürgermeisterin. Ähnlich äußerten sich gestern die CDU, die AL und das Ostberliner Bündnis Bündnis 90/Grüne sowie AL-Umweltsenatorin Michaele Schreyer.

Heute wollen sich die beiden SPD-Fraktionen aus Ost und West gemeinsam mit den sozialdemokratischen Mitgliedern von Senat und Magistrat endgültig auf eine Position in dem Standortstreit festlegen. Matthias Zipser, persönlicher Referent von SPD-Bausenator Wolfgang Nagel, konnte sich Köhnkes Buga-Kritik gestern nur mit ihrer »Unerfahrenheit« erklären. Köhnke kündigte trotzdem an, sie werde sich in der Sitzung gegen eine Verlegung in die Neubaugebiete aussprechen. Sie könne sich »nicht den Sachargumenten verschließen«, meinte die Bezirkspolitikerin. Für eine Gartenschau in den Neubauvierteln bleibe zuwenig Vorbereitungszeit. Was Hellersdorf brauche, sei eine Verbesserung des unmittelbaren Wohnumfelds. Köhnke wörtlich: »Das haben wir hier 40 Jahre lang gehabt, daß Sachargumente aus politischen Gründen beiseite geschoben wurden. Wir sehen ja, wohin wir damit gekommen sind.«

Der Geschäftsführer der Buga- GmbH, Hendrik Gottfriedsen, kündigte gestern sogar seinen Rücktritt an, falls sich eine »gänzliche Verlegung« der Buga durchsetzen sollte. »Dann muß man jemand anderes finden«, sagte der Geschäftsführer zur taz. Es sei »schlankweg nicht möglich«, innerhalb der verbleibenden Zeit eine Gartenschau in den Trabantenstädten vorzubereiten. Der Zentralverband Gartenbau (ZVG) in Bonn, der Mitveranstalter bei allen Bundesgartenschauen ist, sehe das genauso. Eine Sprecherin des ZVG wollte sich in dieser Frage allerdings nicht festlegen. Sie meinte nur, eine Verlegung in den Osten der Stadt wäre »unwahrscheinlich schwierig«, die Zeit dafür »sehr kurz«.

Eigentlich sei auf dem SPD-Parteitag am Samstag bereits die Entscheidung für Hellersdorf und Marzahn gefallen, hielt Nagel-Referent Zipser dem entgegen. Auf Initiative des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper hatte die SPD den Standort Stadtmitte aus dem Programm gestrichen. Nach Zipsers Worten ist aber noch offen, ob für die Ost-Buga das Wuhletal zwischen Marzahn und Hellersdorf oder ein anderer Standort in diesem Gebiet der geeignetste wäre. Der Hellersdorfer Umweltstadtrat Doremühl hatte vor einigen Monaten ein Areal beiderseits der U-Bahn nach Hönow vorgeschlagen (siehe Karte).

Eine Buga in der Stadtmitte sei dagegen gar nicht mehr möglich, meinte Zipser. Weil auf dem Moabiter Werder und am Potsdamer Platz 1995 überall Bauarbeiten im Gang seien, drohe eine »Baustellen-Buga«. Die bisher in der Stadtmitte eingeplanten Areale im Spreebogen und auf dem Lenné-Dreieck stünden überdies gar nicht mehr zur Verfügung, wiederholte der Referent.

Gottfriedsen wies diese Argumente zurück. Es blieben genügend weitere Areale übrig, und »von Beginn an« sei »klar« gewesen, daß eine innerstädtische Gartenschau auch mit benachbarten Baustellen leben müsse. In den Augen von Umweltsenatorin Schreyer ist der SPD-Parteitagsbeschluß deshalb ein »Affront gegen die AL«. Wolfgang Wustlich von der Fraktion Bündnis 90/Grüne im Roten Rathaus meinte, den »Notstandsgebieten« Marzahn und Hellersdorf sei mit einer Buga nicht geholfen. Ähnlich äußerte sich gestern die CDU. Marzahn und Hellersdorf seien »nicht mit ein paar Blumen zu heilen«, sagte Volker Hassemer von der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. hmt