Die Diskussion steht noch aus

■ Eberhard Elfert von der Initiative Politische Denkmäler in der DDR über den Umgang mit »ideologischen Altlasten«

taz: Die Ausstellung »Erhalten, Zerstören, Verändern« wurde im August bereits in den Räumen der NGBK gezeigt. Anlaß der damaligen Ausstellung war auch, ein öffentliches Forum zu bieten, um über die Zerstörungen von Denkmälern in der DDR zu sprechen. Sind dir in der Zwischenzeit neuerliche Zerstörungen bekanntgeworden?

Eberhard Elfert: Die Zerstörung von Denkmälern und die Entfernung von Gedenktafeln gehen nach wie vor weiter. Der spektakulärste Fall neueren Datums ist der Abbau von einer kleinen Gedenktafel für zwei Soldaten, die von der SS am S-Bahnhof Friedrichstraße kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wegen Befehlsverweigerung ermordet wurden. Wir werden mit dem Anbringen eines Provisoriums darauf hinweisen.

Wer entfernt deiner Meinung nach weiter die Tafeln?

Es gibt drei Gruppen, die diese Erinnerungstafeln und Denkmäler entfernen oder zerstören: Einmal sind es Menschen, die aus politisch motiviertem wie unmotiviertem Vandalismus die Denkmäler zerstören. Dazu zähle ich die Entfernung der Tafel am S-Bahnhof Friedrichstraße. Zweitens sind es die neuen Besitzer von Gebäuden und Grundstücken. So etwa ließ die Berliner Bank an ihrer Filiale am Bebelplatz eine Erinnerungstafel für das SPD-Büro, in dem Otto Grotewohl arbeitete, entfernen. Drittens sind es die Bezirkspolitiker, die meinen, sie müßten Veränderungen an politischen Denkmälern vornehmen. Darunter fällt beispielsweise die Entfernung der Honecker-Tafeln am Ernst-Thälmann-Denkmal. Dazu zählt auch, daß der Bezirksbürgermeister vom Bezirk Prenzlauer Berg das »Kampfgruppendenkmal« durch Mauerteile ergänzen will.

Daß ihm das Denkmal vielleicht stinkt, ist eine Sache. Eine andere Sache ist, daß die Bezirke als ehemalige Rechtsträger der politischen Denkmäler doch nach eigenem Ermessen damit verfahren durften, oder nicht? Das Kunstamt Prenzlauer Berg etwa ist der Meinung, daß die Stadtbezirke nach wie vor für die Pflege und Erhaltung sowie für die Rechtsträgerschaft verantwortlich sind.

In der DDR war es so, daß nach der Aufstellung die Denkmäler in die Obhut der Bezirke übergingen und von den Gartenbauämtern gepflegt wurden. Nun ist es so, daß alle Denkmäler, die bereits in den Ostberliner Bezirken unter Schutz standen, seit dem 3. Oktober unter dem gesetzlichen Schutz der Westberliner Denkmalbehörde stehen, die von der Ostberliner Kulturstadträtin Irana Rusta vertreten wird. Gleichzeitig mit der Vereinigung aber dachten die Bezirke oder die neuen Eigentümer — sie tun zumindest so — mit dem 3. Oktober falle eine Unterschutzstellung für politische Denkmäler ganz weg.

Dann informiert man die eben, holt Denkmallisten heraus und verbietet erst mal die Aktionen.

Das Problem liegt noch auf einer anderen, differenzierteren Ebene: Die Verfügungsgewalt liegt bei Irana Rusta. Auch hat Frau Rusta in einer Sitzung des Kulturausschusses des Magistrats betont, daß erst einmal alle Denkmäler erhalten bleiben, bis auf acht oder zehn Denkmäler und Denkmalanlagen, die nach ihrer Meinung »ideologisch belastete Denkmäler« sind, womit sie meint, daß das eine oder andere aus dem Stadtraum zu verschwinden hätte.

Welche meint sie denn damit?

Darunter sind die Gedenksteine für die Grenzsoldaten, die Marx-Engels-Plastik vor dem Palast der Republik ist dabei und, so vermute ich, das Ernst-Thälmann-Denkmal. Diese Ausführungen von Frau Rusta führen gleichzeitig innerhalb der Bezirke zu einer Verunsicherung, die jetzt schon glauben, sie verfügten über diese Denkmäler.

Marx und Engels erinnern doch eher an zwei nette Opas, die auf gepackten Koffern sitzen und gerade für das Scheitern, den Abschied stehen. Wie will sie denn »ideologisch belastet« begründen? Schließlich sind das doch alle.

Zunächst einmal glauben wir, daß Irana Rusta einen großen Fehler macht, wenn sie das Denkmalproblem territorial nur auf Ost-Berlin begrenzt. Wir finden, daß die politischen Denkmäler in Ost-Berlin in ihrem historischen Bezug zu den Denkmälern des Kalten Krieges im Westen zu sehen sind. Gleichzeitig will Frau Rusta eine isolierte Anzahl von Denkmalanlagen aus dem historischen Kontext herausnehmen, mit einer Begründung, die sehr problematisch ist. Das klingt für mich so, als handele es sich dabei um Altlasten, die entsorgt werden müßten. Unserer Meinung nach sollen die Denkmäler stehen bleiben, um mit ihnen eine kritische Auseinandersetzung über der jüngsten Geschichte zu führen, und zwar nicht allein im Osten, sondern ebenso im Westen. Beide Stadthälften zusammen bilden eine Denkmallandschaft, die nicht nur einen Bezirk oder die Stadt Berlin, sondern das Zusammentreffen zweier Systeme widerspiegelt.

Irana Rusta sagte aber auch, sie hätte eine Kommission eingesetzt, die die Probleme, die du genannt hast, diskutiert.

Die von Frau Rusta eingesetzte Kommission hat keinen eindeutigen Arbeitsauftrag. Sie soll ihn erst noch bekommen. Und wenn, dann wird sie sich auf wenige Denkmäler beschränken.

Was sollte denn deiner Meinung nach so eine Kommission leisten? Mit welchen Inhalten wäre ihre Arbeit zu füllen?

Wir fordern eine unabhängige Kommission mit Fachleuten aus der Denkmalplfege, Kunsthistorikern und Geschichtswissenschaftlern, die in jedem Falle vor Ort arbeitet und mit den Leuten spricht. Sie muß Anlaufstelle für einzelne Meinungen wie Interessengruppen sein, muß Anhörungen durchführen und Vorschläge erarbeiten, wie mit sogenannten problematischen Denkmälern umgegangen werden soll, öffentliche Diskussionen veranstalten oder Initiativen ins neue Landesparlament einbringen. Danach kann dann gehandelt werden. Außerdem fürchten wir, daß der Denkmalschutz auf Landesebene sich kaum um die politischen Denkmäler der einstigen DDR kümmern wird. Sie könnten darum verlorengehen. Deshalb sind wir für die Einrichtung einer Forschungs- und Dokumentationsstelle, die sich nur mit den Denkmälern der Ex-DDR beschäftigt, damit nicht noch ein Stück mehr typischer Kultur verlorengeht.

Trotzdem, die Dinger um jeden Preis zu erhalten, halte ich für falsch. Es gibt Menschen, die sich beleidigt fühlen, die die Kolosse zu monumental finden, dicke Monster darin sehen, die unpraktisch sind...

Wer will denn diese Denkmäler weghaben? Doch nur die, die ihre Geschichte verdrängen, die nicht mehr erinnert werden wollen an die eigene Geschichte, eventuell an die eigene Vergangenheit. Wir sind für eine aktive Auseinandersetzung mit Geschichte.

Denkst du nicht auch, daß Teil der aktiven Auseinandersetzung eben auch die Wut und die Farbeier sein könnten? Der Bronze-Thälmann hält das doch aus?

Klar, die Auseinandersetzung hält der aus.

Wie sehen eure Vorschläge für die Kolosse aus?

Für wichtig halte ich eine Ergänzung der Denkmäler durch eine ergänzende Dokumentation, die aus der historischen Distanz kritisch damit umgeht. Im Augenblick erarbeiten wir eine Dokumentation für das »Kampfgruppendenkmal« und das »Ernst-Thälmann-Denkmal«. Ein weiterer Vorschlag ist, die Denkmäler zu begrünen. Ostberliner Künstler engagieren sich da. Mit fällt dazu nur »Gras über die Sache wachsen lassen« ein.

Gehen denn dazu die Positionen in der Gruppe zwischen Ost- und Westberlinern auseinander?

Natürlich gibt es unterschiedliche Positionen über die Bewertung der Denkmäler und den Umgang mit ihnen. Die Bereitschaft, Denkmäler zu verändern oder verändernd einzugreifen, ist bei der Ostberliner Gruppe viel größer als bei uns. Das hängt mit deren direkter Betroffenheit zusammen.

Den praktischen Vorschlägen, die du genannt hast, stehen die täglichen Defizite gegenüber. Welche Motivation treibt euch noch um, nach Ausstellungen, Hearings und Stadtrundgängen?

Eine öffentliche Diskussion, obwohl Irana Rusta in einem Interview des 'Neuen Deutschlands‘ das Gegenteil behauptet, eine öffentliche Diskussion hat unserer Meinung noch nicht einmal begonnen. Es gibt noch keine unabhängige Kommission, die sich mit den Denkmälern beschäftigt, die entsprechende Vorgaben macht als Rahmen für politische Entscheidungen des Landesparlaments. Außerdem haben wir in der Ausstellung nur versucht, uns in einem Überblick den Denkmälern zu nähern. Unsere Arbeit geht nun vor Ort zu den Einzeldenkmälern, denn jedes einzelne Denkmal hat seine eigene Geschichte, die — wie beim Ernst-Thälmann-Denkmal — ergänzend von uns dokumentiert wird. Interview: rola