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Psychiatrie nicht vergessen!

■ Nicht nur im Osten gab es Zwangspsychiatrien

[...] Mir fällt auf, daß kaum jemand bei der Amnestieforderung an die zahlreichen Gefangenen gedacht hat, die in deutschen Psychiatrien, in den sogenannten forensischen Justizanstalten verwahrt werden, oder an die Gefangenen, die sich seit Monaten oder Jahren in der Untersuchungshaft befinden und noch auf ihren Gerichtstermin beziehungsweise Verurteilung warten.

Dazu gehören auch diese Gefangenen, die in den Psychiatrien ihre Untersuchungshaft verbüßen, die dort unter dem Paragraphen 126 StPO (einstweilige Unterbringung) zeitlich unbegrenzt verwahrt werden können, weil genau dieser Paragraph hierzulande noch eine Untersuchungshaft ohne zeitliche Begrenzung zuläßt, also gesetzlich nicht ausreichend geregelt ist.

In der UdSSR oder DDR sind zahlreiche Regimekritiker in die dortigen Psychiatrien gesteckt worden. Aber auch in der BRD findet man in den Psychiatrien fast überall sogenannte forensische Abteilungen, in denen Menschen per Justizurteil in isolationshaftähnlichen Einrichtungen verwahrt werden, die also auch „Gefangene“ sind.

Viele von ihnen landeten dort, weil sie mal Drogen, Alkohol oder Tabletten konsumiert und in diesem Zustand vielleicht einen Diebstahl begangen hatten. Oft sind es geringfügige Bagatelldelikte, aber wer einmal in die Mühlen der Justiz und Psychiatrien gerät, kommt oft nur schwer wieder heraus, weil die Zusammenarbeit von Justiz und Psychiatrie meistens versteckt abläuft — und manche gesetzlichen Grauzonen offenhält, von denen bundesdeutsche Anwälte leider nur relativ wenig Ahnung haben. [...]

Inhaltlich will ich zu den Amnestievorschlägen nichts sagen. Aber ich hoffe, daß die Gefangenen in den Psychiatrien und die Untersuchungshäftlinge, die schon wer weiß wie lange auf eine Verurteilung warten, nicht unter „Verdrängungspolitik“ fallen. Solidarischen Gruß an alle Gefangenen und deren UnterstützerInnen. H.F., JVA Gießen

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