: UNTERM STRICH
Ganz wie in alten Zeiten heute wieder einige Meldungen aus der Welt der Antiquariate: Jede Menge Judaica bietet der neue Katalog von „Blanke & Hauff“. Darunter die 1935 bei Schocken in Berlin erschienene Erstausgabe von Gershom Scholems „Die Geheimnisse der Schöpfung. Ein Kapitel aus dem Sohar“. 90 DM. 'Kreatur‘, die Zeitschrift von Martin Buber, Viktor von Weizsäcker und Joseph Wittig. Sie erschien 1926-1930. Alles erschienen in drei Leinenbänden für 680 DM. Der erste Band von Moritz Lazarus' „Die Ethik des Judentums“, erschienen 1898, kostet 210 DM. Die „Verhandlungen des englischen Unterhauses über die Emancipation der Juden am 16. und 17. December 1847“, erschienen in Berlin im Jahre 1848, 81 Seiten, 160 DM. Die „Vollständigen Verhandlungen des ersten vereinigten preußischen Landtages über die Emancipationsfrage der Juden“, Berlin 1847, 140 DM. Moritz Lazarus' Broschüre aus dem Jahr 1909 „Die Erneuerung des Judentums“ wird für 40 DM angeboten. Die Erstausgabe des ersten und zweiten Teils von Börnes Briefe aus Paris, erschienen 1832 bei Hoffmann und Campe in Hamburg, werden für 280 DM angeboten. 1893 erschien die anti-antisemitische Schrift „Les juifs russes. Extermination ou émancipation?“ von Leo Abraham Errera. 184 Seiten, 120 DM. George Nataf heißt der Herausgeber einer prächtigen „Encyclopédie de la mystique juive“. Erschienen ist der Band 1977. 1528 Spalten und zahlreiche farbige und s/w-Abbildungen für 160 DM. Dazu ein Vorwort von Theodor Mommsen. Blanke & Hauff, Tauroggener Straße 6, 1000 Berlin 10.
Alle Thomas Mann-Liebhaber werden frohlocken: 657 Titel von und über Thomas Mann. Darunter eine Flugschrift der Royal Air Force, die im Juni 1943 über Deutschland abgeworfen wurde. Darin „Die apokalyptischen Lausbuben“, eine Rundfunksendung Thomas Manns vom 25. Januar 1943. 650 DM. Die 12bändige Ausgabe der Gesammelten Werke, erschienen 1955 im Aufbau-Verlag, „Halbfranz.-Bände mit Gold- und Blindprägung, Kopfgoldschnitt“ unglaubliche 12.500 DM. Sollte hier der Druckfehlerteufel dazwischengewischt haben, oder gelten ganz und gar undurchschaubare Gesetze? Der Erstdruck von „München und das Westdeutsche“ in 'Der Querschnitt‘, 11/1932, kostet 38 DM. Eine Seite Thomas-Mann-Original wird für 1.300 DM angeboten. Es handelt sich um einen Brief an Manfred Sturmann, geschrieben am 30.4.1955. „Das boshafteste Pamphlet“ gegen Thomas Mann, heißt es im Katalog: Es stammt von Erik Erikson, hatte den Titel „Thomas Manns neueste Wandlung“ und erschien 1945 in London und Montevideo. 380 DM kostet es heute. Ernst Bertrams 1917 erschienene Rezension von Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ kostet 140 DM. Die 1909 erschienene, sehr schön dekorierte Erstausgabe von „Königliche Hoheit“ wird für 2.800 DM angeboten. 1919 erschien im „Kestnerbuch“ zusammen mit Erstdrucken von Alfred Döblin, Carl Hauptmann, Else Lasker-Schüler und anderen Schulkrankheit, ein Bruchstück aus dem „Felix Krull“. 180 DM kostet der Band heute. Antiquariat Matthias Loidl, Postfach 1405, 8046 Garching.
Der Dramatiker Tankred Dorst hat am Samstag in Darmstadt den mit 60.000 Mark dotierten Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung entgegengenommen. „Von den verspielten Märchen seiner Anfänge, dem Realismus seiner Stücke über Krieg und Nachkrieg bis zur schwarzen Romantik seiner Mythen hat er Fragen der Zeit in einem großen (...) poetischen Lebenswerk formuliert“, heißt es im Text der Verleihungsurkunde. Anstelle einer Dankesrede trug Dorst „Phantasien über ein verlorengegangenes Theaterstück von Georg Büchner“ vor. Er beschäftigte sich dabei mit dem Büchner-Drama „Pietro Aretino“, von dem der Nachwelt nur der Titel überliefert ist. Ausgehend von der Fiktion, das Stück sei wieder aufgetaucht, beschrieb der Büchner-Preisträger, wie er sich den Inhalt vorstellt: Der in Venedig lebende Pietro Aretino vermarktet den von einem Propheten verkündeten Weltuntergang und trägt so dazu bei, daß in der Stadt Anarchie ausbricht. Der Theaterkritiker und Publizist Georg Hensel sagte in seiner Laudatio, Dorst denke „nicht im Ablauf von Sätzen. Er denkt in Sätzen und Gegensätzen, in Szenen und Stücken“. Während der Herbsttagung der Akademie wurde Herbert Heckmann zum drittenmal als Präsident gewählt. Als Vize- Präsidenten wurden Günter de Bruyn (Ex-DDR), Hartmut v. Hentig und Ivan Nagel berufen. Gleichzeitig kündigte Heckmann eine Satzungsänderung für das nächste Jahr an, um eine Erweiterung der Mitgliederzahl zu ermöglichen. Die 20 zusätzlichen Plätze sollen „vor allem an Leute aus der ehemaligen DDR“ vergeben werden.
Noch ein Preis, einer, über den wir uns besonders freuen: Der deutsche Autor und Slawist Karl Schlögel erhält für sein Gesamtwerk den mit 20.000 Schweizer Franken (etwa 24.000 Mark) dotierten Europäischen Essay-Preis der Charles-Veillon-Stiftung. Schlögel, Professor für osteuropäische Geschichte in Konstanz, wird die Auszeichnung am 23. November in Zürich entgegennehmen. Unter Schlögels Publikationen sind die Werke „Moskau lesen“ und „Die Mitte liegt ostwärts“. Im Frühjahr 1991 erscheint „Das Wunder von Nishnij oder Die Rückkehr der Städte“.
Das Deutsche Staatstheater in Temeswar (Rumänien) plant nach Jahren der Isolation eine erste Gastspielreise ins Ausland. Wie die Direktorin Ildiko Jarcsek-Zamfirescu vergangene Woche in Baden- Baden mitteilte, soll die Tournee noch in diesem Jahr zwölf Tage lang durch deutsche Städte führen. Gezeigt wird das Christine-Brückner-Schauspiel „Ungehaltene Reden“. Das 1953 gegründete Theater ist nach Angaben seiner Direktorin die einzig deutschsprachige Bühne außerhalb des deutschen Sprachraums. In den vergangenen sieben Jahren habe die Bühne mit ihren rund 90 Mitgliedern — davon ein Drittel Schaupspieler — nur „wie durch ein Wunder“ überleben können. Dankbar sei man für die Hilfe, mit der die deutsche Botschaft und das Goethe-Institut Sachspenden für die „museumsreife Ausstattung“ vermittelt habe. Das Staatstheater hatte in der Zeit jahrelanger Isolation und Zensur fast ausschließlich klassische Stücke inszeniert. Jetzt will es sich stärker der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zuwenden.
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