: Schamir schießt gegen Sicherheitsrat
Israel will UN-Delegation offiziell nicht empfangen/ Mißtrauensvotum gegen Regierung Schamir ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die israelische Regierung unter Ministerpräsident Schamir hat nun offiziell ihre Absicht bekräftigt, die vom UNO-Sicherheitsrat angeordnete Untersuchung des Massakers an 21 Palästinensern auf dem Jerusalemer Tempelberg zu boykottieren. Der israelische UNO-Botschafter meinte am Montag lakonisch, als Touristen werde man die Mitglieder der Untersuchungskommission einreisen lassen, mit einem Empfang durch die israelische Regierung könnten sie freilich nicht rechnen. Schamir nannte die UNO-Entschließung schlicht „einseitig“. Außerdem, so der Premier, sei sie ohnehin nur angesichts der Lage am Golf zustandegekommen.
Die sozialdemokratische Arbeiterpartei, die sich in letzter Zeit betont patriotisch gebärdete und die harsche UNO-Ablehnung durch Schamir politisch weitgehend mittrug, hat ihre Position revidiert. Jedenfalls führte Peres, Chef der Arbeiterpartei, eine scharfe Attacke gegen Schamir und seine Ablehnungspolitik, die Israel gefährlich isolieren könnte. Zusammen mit anderen Oppositionsparteien brachte Peres einen Mißtrauensantrag gegen die Schamir-Regierung ein. Die Abstimmung darüber wird in der kommenden Woche stattfinden. Zwar hat das Mißtrauensvotum keine Chance, die Regierung zu stürzen, aber immerhin kommt es nun wieder zu einer klaren Konfrontation zwischen den großen politischen Lagern. Beobachter behaupten, die plötzliche Einstellungsänderung innerhalb der Arbeiterpartei sei massivem US-Druck geschuldet. Auch die Einsicht, daß eine Kooperation zwischen Israel und Sicherheitsrat das beste Mittel für eine Beilegung der ganzen Affäre ist, mag eine Rolle gespielt haben.
Dieser Einsicht hat sich auch der der Arbeiterpartei nahestehende Jerusalemer Bürgermeister Kollek angeschlossen. Er erklärte sich bereit, eine Sicherheitsrats-Delegation in Jerusalem zu empfangen — falls eine solche Kompromißlösung eine neuerliche Konfrontation zwischen Israel und den USA verhindern könnte. Das Außenministerium hat diesen Vorschlag bereits abgelehnt. Und ein Sprecher von Schamir meinte, die Angelegenheit sei Regierungssache und ein Bürgermeister habe sich gefälligst im Rahmen seiner Kompetenzen zu bewegen.
Was die israelische Regierung im Moment am meisten beunruhigt, ist die Tatsache, daß sich der israelisch- arabische Konflikt immer weniger von den anderen Krisenherden der Region trennen läßt. Dieser fatalen Entwicklung will die Schamir-Regierung entgegenwirken. Schamir sieht seine Chance dabei darin, eine aktive Rolle im Golfkonflikt einzunehmen und so als unverzichtbarer Bestandteil der anti-irakischen Allianz eine neue politische Bewertung der Rolle Israels zu initiieren.
In der arabischen Welt stieß unterdessen die neuerliche israelische Ankündigung, Juden in der besetzten Jerusalemer Altstadt anzusiedeln (siehe taz vom 16. 10.), auf scharfe Kritik. Das „Jerusalem-Komitee“ der islamischen Staaten forderte in der marokkanischen Hauptstadt Rabat die Einberufung einer internationalen Konferenz über die zunehmende Ansiedlung von Juden im annektierten Ostjerusalem. Ferner rief es den UN-Sicherheitsrat auf, eine Konferenz „aller an dem arabisch-israelischen Konflikt Beteiligten, einschließlich der PLO“ zur Frage der Zukunft der von Israel besetzten Gebiete einzuberufen. Gleichzeitig wurde Israel ob seiner „barbarischen Politik“ scharf attackiert.
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