: Geschichten auf der Trommel
■ Der Jazzdrummer Art Blakey ist gestorben PORTRAIT
„Auf der Trommeln kannst Du Stories erzählen. Die Geschichten sind da, wenn Du nur richtig zuhörst.“ Art Blakey, gestern im Alter von 71 Jahren an Lungenkrebs gestorbener Meisterdrummer des Bebop, sagte das, als er Anfang der fünfziger Jahre drei Jahre in Afrika gewesen war und den Geschichten der dortigen Trommler gelauscht hatte.
Blakey war der wildeste, ursprünglichste, härteste, „afrikanischste“ Schlagzeuger des Bebop. Er spielte keine Melodien auf seinem drum set, so, wie Kollegen den im Bop „befreiten“ Rhythmus nutzten. Er reduzierte die Finessen des Bop-Rhythmus auf das Wesentliche, und das war nicht das Einfachste.
Zum Schlagzeugspielen kam er, kolportierte er gern, durch einen Gangster, der ihn in den dreißiger Jahren in Pittsburgh mit vorgehaltener Pistole dazu zwang. Dank dem Mann! Denn bald hatte Blakey nur noch drei Leidenschaften: Jazz, afrikanische Rhythmen, Schlagzeug. Jazz war für ihn fest im Bebop-idiom verwurzelt: „Wenn wir uns nicht mehr ausgehend von den Linien Dizzys, Birds und Max Roachs weiterentwickeln, verlieren wir die Grundlage des Jazz“, war seine Überzeugung. Mit vielen stilbildenden Musikern des Bop hatte Art 1944 bis 1947 in der Big Band von Billy Eckstine gespielt. Dizzy nannte ihn bewundernd „einen Vulkan“, der Eigenbrötler Thelonious Monk machte mit dem extrovertierten Blakey mit die schönsten Aufnahmen seines Lebens.
Die Suche nach neuen Rhythmen und Schlagzeugelementen führte in nach Afrika. Typisch für ihn ist schon der Titel einer seiner frühen Kompositionen: Night in Tunisia. Orgies in Rhythm nannte er dann kochende Sessions mit afrikanischen und karibischen Drummern, und es waren wirklich Trance-artige Orgien, die da im New Yorker Plattenstudio abgehalten wurden. Blakey hielt in seiner Spielpraxis fest am durchgehenden Beat, meist energisch auf dem Hi-hat markiert, um den er dann auf Baßtrommel und Becken „Explosionen“ schlug. Ein emotionaler und impulsiver Solist, der aber, wenn er zum Beispiel ein Baßsolo begleitete, auch von wispernder Intensität sein konnte.
In Blakeys Bands — seit 1954 hießen sie programmatisch „Jazz Messengers“ — gab es keinen Leerlauf: Wenn die Konzentration des Solisten nur ein bißchen nachzulassen schien, schickte ihn Blakey mit kurzen, harten Akzenten und kleinen anschwellenden Wirbeln, den „Rolls“, wieder auf die Höhe seines Könnens. Die „Messengers“ galten als Kindergarten für Stars: Die Trompeter Freddie Hubbard, Lee Morgan, Clifford Brown gewannen bei ihm Seele und Tiefe, in den achtziger Jahren hatten Wynton und Branford Marsalis ihr Handwerk bei ihm gelernt. Saxophonisten wie Wayne Shorter und Hank Mobely machten sich bei ihm fit für Miles Davis und weitere Karriere, mit den Pianisten Bobby Timmons und Horace Silver schuf er einen bluesigen Sound, der mit „Soul“ und „Funk“ umschrieben wurde, bevor diese Begriffe Markenzeichen des Pop waren. Im Bebop-Revival ging Blakey unter anderem mit Wynton und Branford Marsalis auf Tournee, und es war fast ein perfektes Remake der klassischen Gruppen dreißig Jahre vorher, aber dank Blakeys Persönlichkeit nicht nur blasser Abklatsch. Blakey war kein Theoretiker, kein Lehrer: Die Atmosphäre seiner Gruppen und die hohen Ansprüche an die musikalische Qualität prägten die Musiker um ihn.
Fast fünfzig Jahre lang war Art Blakey „on the road“, unermüdlich die Botschaft vom hartem, treibenden, swingenden Jazz trommelnd. Vor zwei Monaten kam er von einer Japan-Tournee nach New York zurück ins Krankenhaus. Er wußte, daß er die Klinik nicht mehr verlassen würde. Close your eyes and listen to the beat of the drums. Carlo Ingelfinger
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