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Senna, der Rammer

■ Senna knallt mit 250 Sachen absichtlich ins Auto von Hauptgegner Prost und wird Formel-1-Weltmeister

„Das war Absicht und lebensgefährlich. Die Formel 1 bedeutet ihm alles. Für den Titel würde er sogar sein Leben hergeben.“ Empört reagierte Alain Prost auf den ganz offensichtlich gewollt herbeigeführten Rammstoß von Ayrton Senna, der am Sonntag bereits 300 Meter nach dem Start des Großen Preises von Japan in Suzuka zum Ausfall der beiden Piloten führte und dem 30jährigen Brasilianer zum zweiten Mal nach 1988 das Formel-1-Championat sicherte.

„Jeder hat gesehen, daß mich Senna absichtlich von der Strecke gestoßen hat. An dieser Stelle ist ein Überholen unmöglich, weil man hier im fünften Gang mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist“, schimpfte der entnervte Alain Prost und fand Unterstützung bei Nelson Piquet, Sieger des Rennens in einem Benetton-Ford: „Er ist ihm einfach ins Heck gefahren.“

Wieder wurde die Formel-1- Weltmeisterschaft damit in Suzuka durch einen handfesten Skandal und mit einem Crash entschieden. Im letzten Jahr war es zwischen Senna und Prost zu einer ähnlichen Kollision gekomen. Der Brasilianer konnte das Rennen im Gegensatz zu Prost zwar fortsetzen, wurde jedoch später als Sieger disqualifiziert, wodurch sein damaliger Teamkollege Prost Weltmeister wurde.

Senna, der in diesem Rennen mit dem McLaren-Honda zum 51. Mal die Pole-Position einnahm, war bereits mit Wut im Bauch an den Start gegangen. Die FISA hatte sich nämlich geweigert, den Startplatz für den Trainingsschnellsten von der rechten auf die linke Straßenseite zu verlegen, weil die rechte Seite der Zielgeraden verschmutzt war. Dies war in dieser Saison schon dreimal geschehen. Senna: „Warum ausgerechnet beim wichtigsten Rennen der Saison nicht? Für was riskiere ich mein Leben, wenn ich dann mit schlechteren Startplatz bestraft werde?“

Der Brasilianer kam in der Tat schlechter vom Start weg als Prost, der mit dem Ferrari als Erster in die Rechtskurve der abschüssigen Start-Zielgeraden einbog. Senna berührte beim Versuch, sich mit dem McLaren-Honda auf der Innenseite vorbeizuzwängen, mit dem linken Vorderrad das rechte Hinterrad des Ferrari von Prost. Die Folge: Bei Tempo 250 flogen beide von der Strecke. Senna hatte Prost im wahrsten Sinne des Wortes „abgeschossen“.

Verbal wurde später an den Boxen weitergekämpft. Ayrton Senna, wegen seiner resoluten Fahrweise nicht unumstritten, beschuldigte den Franzosen: „Alain sollte wissen, daß ich jede Lücke nutze. Und in dieser Kurve war Platz für zwei Autos. Wenn er mir die Tür nicht zugeworfen hätte, dann wäre nichts passiert.“

Prost: „Die Art und Weise, wie Senna mich attackiert hat, zeigt seinen Charakter.“ FISA-Präsident Jean-Marie Ballestre findet das neue Debakel „skandalös“.

Abseits der Streitereien feierte Nelson Piquet in Suzuka nach drei Jahren Pause endlich seinen 21. Grand-Prix-Sieg. Der Brasilianer gab ehrlich zu: „Ohne die Ausfälle von Berger im zweiten McLaren- Honda und dem Ferrari-Piloten Mansell wäre ich höchsten Dritter geworden.“ Für den Benetton- Doppelsieg sorgte Roberto Moreno als Ersatzpilot für Alessandro Nannini. Der Brasilianer, der 14 Rennen lang mit dem hoffnungslosen Eurobrun-Judd um die Vorqualifikation gekämpft hatte, nutzte die Chance seines Lebens. Mehr aber noch feierten die 180.000 japanischen Zuschauer ihren Landsmann Aguri Suzuki als Dritten im Lola-Lamborghini.

Gerhard Berger und Nigel Mansell vervollständigten das Chaos für McLaren und Ferrari in diesem Crash-Rennen. Der in ersten Runde in Führung liegende Österreicher rutschte an der Senna/ Prost-Unfallstelle auf dem Öl von der Strecke weg in den Sand und der Brite entwickelte wieder mal ein besonderes Pech: Nach einem Reifenwechsel brach bei der schnellen Anfahrt noch in der Boxengasse eine Antriebswelle am Ferrari. dpa (Suzuka)

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