Ingrid Strobl erneut vor Gericht

■ Nach erfolgreicher Revision beim BGH muß das OLG-Düsseldorf über das Strafmaß neu entscheiden

Düsseldorf (taz) — Ingrid Strobl, nach erfolgreicher Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) im Mai dieses Jahres aus dem Knast entlassen, steht heute erneut vor Gericht. Am 8. Mai 1990 hatte der BGH das Urteil des 5. Senats des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) gegen die ehemalige „Emma“-Redakteurin wegen fehlerhafter Beweisführung weitgehend kassiert.

Die Passagen des Urteils, in denen die OLG-Richter die Journalistin der „Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ überführt sahen, wurden vom BGH hingegen nicht aufgehoben. Dafür, daß Ingrid Strobl beim Kauf eines Weckers — der später bei einem Anschlag der „Revolutionären Zellen“ auf ein Kölner Lufthansagebäude verwandt wurde — gewußt habe, daß ihr Auftraggeber den Wecker „politisch motivierten Gewalttätern“ zum Bau einer Bombe zur Verfügung stellen würde, sah auch der BGH Anhaltspunkte.

Zu diesem Punkt läge die Beweiswürdigung der Indizien „insgesamt gesehen noch innerhalb des dem Tatrichter zukommenden Beurteilungsspielraum“. Auch nach der BGH- Logik hat Strobl beim Weckerkauf insoweit „böswillig“ gehandelt — nur nicht zugunsten einer „terroristischen Vereinigung“ mit festen Verbandstrukturen, sondern möglicherweise im Sinne von „ad hoc gebildeten Kleinstgruppen und Einzeltätern“.

Vom 5. Senat, dem damals der wegen seiner cholerischen Ausfälle berüchtigte Richter Klaus Arend vorsaß, war Ingrid Strobl am 9. Juni 1989 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Für den 5. Senat stand nach der Beweisaufnahme seinerzeit „zweifelsfrei“ fest, daß sich Ingrid Strobl durch den Kauf des Weckers der „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ schuldig gemacht habe: Schon beim Kauf habe sie um die spätere Verwendung gewußt.

Eine gerichtliche Schlußfolgerung, die zwar haargenau der Anklage folgte, die aber, so befand der BGH, nicht auf Tatsachen, nicht auf Beweisen, sondern allein auf Mutmaßungen und Verdächtigungen fußte. Wörtlich heißt es in dem BGH- Beschluß: „Insoweit entfernen sich die vom Tatrichter gezogenen Schlußfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage, daß sie nur einen Verdacht, nicht aber die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung zu begründen vermögen“.

Für künftige, vergleichbare Fälle gibt der zunächst vielbejubelte BGH- Beschluß den Oberlandesgerichten zugleich aber direkte, revisionssichere Formulierungshilfen. Ingrid Strobl hätte trotz fehlender konkreter Beweise nach Auffassung der obersten Revisionsrichter nämlich dann wegen RZ-Unterstützung verurteilt werden können, wenn „eine Beziehung der Angeklagten zu Mitgliedern dieser terroristischen Vereinigung oder jedenfalls eine geistige Nähe der Angeklagten zu deren terroristischem Gedankengut hätte festgestellt werden können“.

Dem 6. Senat obliegt es nun, für diesen, im ersten Verfahren durch stichhaltige Beweise auch nicht erhärteten Anklagevorwurf, das Strafmaß neu festzusetzen. Die Verteidigung der 38jährigen Ingrid Strobl gab in einer Presseerklärung bekannt, ihre Mandantin werde sich auch jetzt nicht zur Sache äußern. Der Prozeß ist auf drei Tage angesetzt. Walter Jakobs