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Einsichten ohne Schlußfolgerungen

■ „Der amerikanische Traum“, West 3, 21.50 Uhr und 1. November um 21.45 Uhr

Nicht jeder Tellerwäscher wird Millionär, aber Millionen von Tellerwäschern träumen davon. So jedenfalls denkt sich der Durchschnittseuropäer die Philosophie des amerikanischen Traums, der ihm seit Jahrzehnten die Tugenden der Neuen Welt näherbringt, als da wären: Popcorn und Bubble-gum, Petting und Pershing, sowie einen schauspielernden Ex- Präsidenten. Vorsicht Klischee! Es muß eben einmal gesagt werden, und die es uns sagt, glaubt zu wissen, wovon sie redet. Die Kölner Autorin Monika Hey gönnt uns nicht länger das Halbwissen über die steilen Karrieren von Liftboys und anderen Senkrechtstartern und führt uns zu den Wurzeln des amerikanischen Traums. Der Geist der Aufklärung, die Weite des Landes, der Menschheitstraum des irdischen Paradieses — alles Grundessenzen des historischen Essays über ein Ideal, das noch heute als ideologischer Kitt taugt, um die krassen materiellen und kulturellen Gegensätze in der amerikanischen Gesellschaft miteinander zu versöhnen.

Monika Hey analysiert den Erfolgsmythos und die Heilslehre des Menschheitbeglückers USA mit einigem Esprit und findet dabei visuelle Motive jenseits der gängigen Standards geschichtlicher Fernsehsendungen. Dennoch stößt auch sie immer wieder an das Grundproblem historischer Dokumentationen. Das komplexe Thema und die abstrakte Argumentation verlangen vom Zuschauer ein Höchstmaß an Konzentration, so daß diese Beanspruchung häufig zu einer stark korrespondierenden Bildwahl zwingt. Da muß dann eben — plakativ und anschaulich — die heutige Feuerwehr formatfüllend vorbeirasen, während der Text über die Feuersbrunst von 1871 in Chicago aufklärt.

Fraglich ist auch, ob sich die Ideengeschichte des amerikanischen Traums und des darauf fußenden „american way of life“ tatsächlich allein aus der Gedankenwelt des liberalen Bürgertums ableiten läßt, ohne daß dabei näher auf die ökonomischen Grundlagen der Industrialisierung einzugehen ist.

Seltsam unhistorisch bleibt der Zweiteiler auch, weil er sich weigert, nach den Auswirkungen des amerikanischen Traums auf die heutigen Vereinigten Staaten zu fragen. Dieser fehlende Bezug läßt sich auch nicht damit abtun, daß der Redakteur darauf verweist, daß die Programmgruppe Geschichte im WDR mit Schwierigkeiten zu rechnen habe, sobald eine geschichtliche Sendung Gegenwartsbetrachtungen anstellen würde.

Indem sich der Film nur bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts wagt, liefert er zwar Einsichten, die aber nie zu Schlußfolgerungen reifen. Ob die Autorin wohl bemerkt hat, daß ihr ästhetisch bis ins letzte Detail durchgestyltes Bild von der bekannten Lincoln-Statue mehr über die Realitäten aussagt als ihr ganzer Film? Da steht ein schwarzer Reinigungsmann auf dem Schoß des Präsidenten und bürstet mit einem Schrubber ziemlich respektlos über Stirn und Anlitz der Skulptur. Das ist eben nicht nur der visuelle Kontrast zwischen weißem Stein und schwarzer Haut, sondern die Grundstruktur der Gesellschaft. Ein schwarzer putzt den weißen Mann, Ironie und Schicksal — vor allem aber die ewige Kehrseite des amerikanischen Traums. Christof Boy

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