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UNTERM STRICH

Eine Sammlung von meist unbekannten Jugendschriften des fleißigen Jean-Paul Sartre wird jetzt erstmals bei Gallimard in Paris veröffentlicht. Der nahezu 600 Seiten umfassende Band „Ecrits de jeunesse“ enthält drei Romane, eine Novelle, einen mythologischen Essay, Aphorismen und verschiedene Fragmente aus der Zeit zwischen 1922 und 1927. Die Herausgeber Contat und Rybalka nennen als wesentliches Merkmal der zwischen dem 17. und 22. Lebensjahr Sartres verfaßten Schriften seine „ungeheure Aggressivität gegen das eigene Milieu: die Akademiker, Intellektuellen und Schriftstellerkandidaten“. Das Zerwürfnis mit dem befreundeten Schriftsteller Paul Nizon regte Sartre zu dem Roman „La Semence et le scaphandre“ an, der in diesem Band enthalten ist. Wir erinnern uns an die von Sartres Biographin Anne Cohen Solal so hinreißend beschriebene Szene, in der Autographe von Jean-Paul unter den Hammer einer Versteigerung kamen und fragen uns, welche Köstlichkeiten und prosaische Zwistigkeiten die Pariser Bourgeoisie noch in ihren Empire-Sekretären versteckt halten mag.

Ein „Dichtertreffen in Weimar“ veranstalten der Schriftstellerverband der ehemaligen DDR (SV) und der Verband Deutscher Schriftsteller (VS) seit Dienstag (die taz wird hierüber berichten). 36 Autoren aus Ost und West sind der Einladung zu der dreitägigen Begegnung gefolgt. In mehreren Lesungen werden sie eigene Lyrik und Prosa vorstellen sowie in Gesprächen ihre Befindlichkeit kurz nach der deutschen Vereinigung reflektieren. Eine Lesung im Deutschen Nationaltheater versammelt unter anderem Helga Schütz, Volker Braun, Rolf Hochhuth und Martin Walser mit neuen Texten auf dem Podium. Der Titel der Abschlußveranstaltung lautet „Ende der Utopie?“. Neben Schriftstellern der ehemaligen DDR, so Gisela Kraft und Joachim Walther, wird sich hier der Vorsitzende des VS, Uwe Friesel, vorstellen. Ursprünglich als ein Treffen von Dichtern noch zweier deutscher Staaten konzipiert, setzt die Weimarer Veranstaltung ein ähnliches Treffen fort, für das Mitte Februar 1990 Hannover Gastgeber war (und auf dem vor allem soziale Fragen debattiert wurde). Der Vorsitzende des in Auflösung befindlichen DDR-Schriftstellerverbandes, Rainer Kirsch, appellierte an die Toleranz, als er sich und den anderen Teilnehmern wünschte, daß Verdrossenheit und Verbissenheit, Denunziation und Schwarzweißmalerei bei diesem Weimarer Dichtertreffen „draußen bleiben“ sollten.

Der brasilianische Schriftsteller Jorge Amado hat am Dienstag in Paris den mit umgerechnet rund 60.000 Mark dotierten Literaturpreis „Prix mondial Cino del Duca 1990“ erhalten. „Ihr Werk enthält den bemerkenswerten Anspruch, die Erinnerung wachzuhalten an eine Zeit, die zu Ende geht“, hieß es bei der Preisverleihung. Die Werke des 78jährigen Amado liegen in rund 50 Sprachen übersetzt vor. Mit dem zum 22. Male verliehenen Preis sollen Autoren geehrt werden, deren wissenschaftliche oder literarische Werke die „Botschaft des modernen Humanismus“ enthalten. Ob dieser Begriff des weiteren ausgeführt wurde, ist dieser Meldung, die wir dpa verdanken, leider nicht zu entnehmen.

In der Rubrik 'Nachlässe, Erbstreitigkeiten und Libidinöses‘ melden wir: Seiner Witwe, Carmen Llera, und seiner ehemaligen Lebensgefährtin, Dacia Maraini, hat Alberto Moravia seinen Besitz zu gleichen Teilen vermacht. Die beiden Frauen müssen nach dem Willen des kürzlich verstorbenen Autors darüber entscheiden, wieviel seine Schwestern von dem Erbe bekommen sollen. Moravia hinterläßt fünf Wohnungen (das paßt ja prima, wenn es, wie literarisch üblich, drei Schwestern sein sollten) und die Rechte an seinen Büchern. Carmen Llera und Dacia Maraini, die ebenfalls Schriftstellerinnen sind, wollen mit Moravias Erbe eine nach ihm benannte Stiftung gründen. Soweit scheint also alles zum Besten zu stehen, für Irritation sorgt allerdings eine zweite Meldung, die Signora Maraini kurzerhand in den bürgerlichen Ehestand transformiert. 'La Repubblica‘, für Nachrichtensicherheit so berühmt, daß man keineswegs mehr von einer italienischen Zeitung sprechen mag, präzisiert diese Version sogar: Moravia, bekanntlich in erster Ehe mit Elsa Morante verheiratet (die vor fünf Jahren sehr arm starb), ehelichte Dacia Maraini laut 'La Repubblica‘ im Jahre 1963. Der Scheidungstermin wurde aber an dieser Stelle nicht genannt, was den Status der Behauptung natürlich deutlich schwächt. 23 Jahre nach dieser zweiten Hochzeit schließlich schaute der Autor der damals 31jährigen Spanierin Carmen Llera so tief in die Augen, daß sich Ringe bildeten. Wir können die strittige Frage von Berlin aus natürlich nicht entscheiden, aber die erste Version, da pikanter, gefällt uns entschieden besser.

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