Gas-Pipeline quer durchs Wattenmeer

■ Norwegischer Konzern sucht eine Ende für seine Supertrasse / Umweltschützer stehen Kopf

Ein Super-Gasrohr zur südlichen Nordseeküste will die norwegische Fördergesellschaft Statoil verlegen. Bis zu 27 Milliarden Kubikmeter Nordseegas sollen pro Jahr durch die rund eine Milliarde Mark teure Röhre strömen. Der überwiegende Teil ist für die ehemalige DDR als Ersatz für Braunkohle und Atommeiler bestimmt.

Wo die rund 600 Kilometer lange Gasleitung enden wird, ist noch nicht entschieden. In Frage kommen das niederländische Eemshaven und die niedersächsische Nordseeküste. Eine Entscheidung darüber wird noch im November fallen. Noch vor dieser Entscheidung hat eine mögliche Pipeline zur deutschen Küste Umweltdiskussionen in Gang gesetzt. Jede der in Frage kommenden Trassen würde das Gebiet des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer durchschneiden. Eine der bevorzugten Varianten sieht die Durchquerung der Ostspitze der Insel Norderney vor. Sie wäre mit rund sieben Kilometern Länge die kürzeste und damit aus Sicht der Unternehmer die umweltfreundlichste Verletzung des Wattenmeers. Doch im Osten von Norderney herrscht absolutes Betretungsverbot, weil dieser Inselteil in der Ruhezone I des Nationalparks liegt.

Für die Stadt Norderney sind Bedenken nach den Worten des stellvertretenden Stadtdirektors Helmut Bruns bisher nicht ausgeräumt worden. Die Kommune lehne den Gastransport an die deutsche Nordseeküste aus übergeordneten Umweltschutzgründen zwar nicht ab. Bei einer Querung der Insel mit einem Pipeline- Graben sei jedoch mit erheblich störenden Eingriffen in die ökologisch empfindliche Dünenund Salzwiesenlandschaft der Insel zu rechnen.

Von einer Prüfung der Umweltverträglichkeit erwarte Norderney eine technische Lösung, die die Umweltbelastung auf das mögliche Minimum bringe. Möglicherweise lasse sich die Gasröhre weiter in Richtung Inselende verlegen. Technische Verfahren für eine Rohrverlegung ohne Öffnung der Erdoberflächen seien bereits erprobt.

Das bestätigte das im internationalen Pipelinebau erfahrenen Unternehmen Bohlen und Doyen in Wiesmoor (Kreis Aurich). Das Statoil-Rohr lasse sich auch im sogenannten Horizontal-Bohrverfahren verlegen. Dabei werde jeweils ein 500 Meter langes Teilstück der Leitung ohne durchgehende Öffnung der Oberfläche eingebracht. Die Mehrkosten beliefen sich auf 30 bis 40 Prozent der herkömmlichen Verfahren.

Umweltauflagen für die Verlegung der küstennahen Kilometer einer Großpipeline gelten in Kreisen der Energiewirtschaft nicht als wichtiges Entscheidungskriterium. Gemessen an den Gesamtkosten eines solchen Vorhabens fielen die Mehrkosten kaum ins Gewicht. Außerdem seien die Umweltstandards in den Nordsee-Anrainerstaaten inzwischen soweit angenähert, daß ein Konkurrenzvorteil für Investoren aus unterschiedlichen Umweltvorschriften bei Standortentscheidungen kaum noch zu ziehen sei.

Bei der anstehenden Entscheidung der Statoil über den Endpunkt der neuen Nordseeleitung spielten eher handfeste wirtschaftliche Interessen die Hauptrolle, vermuten deutsche Experten. Die norwegische Gesellschaft ist bei eigenen Gaslieferungen in die Bundesrepublik vertraglich an ein Abnehmerkonsortium aus Ruhrgas AG, Thyssengas AG und BEB gebunden. Eine Anlandung in Holland stünde nicht unter dem Vertrag. Möglicherweise, so vermuten Insider, sucht Statoil derzeit nach einem Weg, aus der Bindung an die deutschen Alleinabnehmer herauszukommen. Ein Weg dahin könne die Vermietung der Gasleitung an andere Transport-beziehungsweise Fördergesellschaften sein. Manfred Protze