: Lötlampe und Dynamit
■ Wie die Tiere unsere Kinder sozialisieren
Zum Beispiel: Zieht Micki, der moralische Übernager, die Flinte, ist Polizeistunde angesagt im Kinderzimmer. Dann wird Pitbullpluto auf die Riesenbrillanten gehetzt, die ferngesteuerte Mutanten aus dem Heimatmuseum tragen. Da muß die elektrische Eisenbahn schon mal eine Brücke opfern, ehe die Disney-Unterwelt über den Prellbock fliegt.
Zweifellos, die Maus ist gut. Raucht nicht, trinkt nicht. Aber das Böse reißt nicht ab; den großen Tag im Auge. Allwöchentlich ist im Geldspeicher Bescherung, wandert die nächste Million hinter Schloß und Riegel. Der Enten J.R. aus der Geflügelhochburg weiß, wie man's macht. Vom Klondike-Fieber geritten, mit dem Golddetektor anstatt eines Herzens, holt er dem Letzten das Letzte aus der Tasche. Und im Windschatten des giftigen Onkels stets die finsteren Elemente. Zweifellos, der alte Geizschnabel ist richtig clever. Nimmt, doch gibt nichts. Befreit von Skrupel und Steuer. So einfach ist die Tierwelt.
Achtung! Jetzt kommen Tom und Jerry, die tollwütigen Hausgenossen. Sicherheitsabstand ist unbedingt einzuhalten. Im Fernsehen läuft wieder die allseits beliebte Kinderverzückung vom gegenseitigen Überleben. In der Trickfilmküche ist die Route schon abgesteckt. Als Stationen sind wie folgt vorgesehen: der Fleischwolf, die vorgeheizte Backröhre, die Brotschneidemaschine, die Gefriertruhe, der Ventilator, der Boiler, die Steckdose usw. Des weiteren liegen diverse Bestecke bereit und Dynamit. Und nach fünf Minuten reinsten Vandalismus, schwerster Körperverletzung und mehrfachen versuchten Totschlags finden Frauchen und Herrchen alles wieder in bester Ordnung. Die nächste Episode spielt im Schuppen. Streckbank, Schraubstock, Lötlampe und Dynamit... Zum Schluß jeweils der populärwissenschaftliche Teil über Teil- und Ganzkörperregenerierung. So praktisch ist die Tierwelt.
Transferiert man das alles in die Realität, muß man sich nicht wundern. Über die verdrehten Köpfe der Kindheit. Einerseits konservative Idylle mit ausgeprägtem Gerechtigkeitstrieb zur Wahrung schablonierter Tatsachen. Neid als Respektlosigkeit der Unvermögenden. Akzeptanz von Reich und Arm als bürgerliche Gesetzmäßigkeit. Und zum anderen Animationsstreifen, deren roter Faden in der Wirklichkeit eine Blutspur wäre. Emotionslose Egozentrik, der Kampf des Individuums. Keine Relation mehr zur Gewalt. Hier wird für Kinder der Alltag auf den Punkt gebracht.
Hilfssheriffs auf dem Schulhof, Mädchen legen Puppen um statt ins Bett, auf dem Spielplatz trainiert man kaltmachen, überall Warnschüsse aus Plastikcolts. Man ist halt wie die Tiere. But who killed Bambi? Polle Derrick
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen