: LEERE HOTELS AM ROTEN MEER
■ Urlauber meiden die Golfregion und islamischeLänder.
Urlauber meiden die Golfregion und islamische Länder.
VONTHOMASGESTERKAMP
„Irak-Urlauber sollten Abenteuer schätzen“, so war Mitte der siebziger Jahre ein Bericht über eine Reise in das Land Saddam Husseins überschrieben. Damals bezog sich die Warnung auf schleppend erteilte Einreisegenehmigungen und ausgefallene Programmpunkte im versprochenen Pauschalarrangement. Heutzutage wäre die Fahrt an den Euphrat mehr als ein Abenteuer. Der Irak-Tourismus, ohnehin nie das große Geschäft, ist nicht mehr vorhanden. Freiwillig reisen höchstens noch Journalisten Richtung Bagdad, aber bestimmt keine Urlauber. Diese sind inzwischen so vorsichtig geworden, daß die Touristikbranche in der ganzen Region darunter leidet. Als Folge der Golfkrise geht es mit dem Fremdenverkehrsamt im gesamten Nahen Osten bergab. Betroffen sind nicht nur unmittelbare Anrainerstaaten des Irak wie Saudi-Arabien, Syrien oder Jordanien. Auch Länder, die hunderte von Kilometern vom Persischen Golf entfernt liegen, klagen über empfindliche Deviseneinbußen.
Zum Beispiel Ägypten: Gerade im letzten Jahrzehnt hatte die Regierung in Kairo den Massentourismus gefördert. Früher zog es vor allem Bildungsbürger an den Nil, die sich in den alten britischen Kolonialhotels von Luxor oder Assuan verwöhnen ließen. Erst in jüngster Zeit bemühte sich die ägyptische Touristikindustrie, auch andere Zielgruppen anzusprechen. Neben den obligatorischen Pyramiden oder Tempeln besuchten die Urlauber Wüstenoasen wie Farafra oder Dakhla, fuhren zum Baden in die Nähe von Sharm el Sheikh auf der Halbinsel Sinai oder zum Tauchen nach Hurghada am Roten Meer. Viele der neu entstandenen Hotelanlagen stehen fast leer. „Obwohl es in Ägypten politisch ruhig ist, verkaufen wir bestenfalls halb so viele Reisen wie im letzten Jahr“, klagt Rainer Sonnenburg, Managing Director des deutsch-arabischen Touristikunternehmens „El Dar“. Die Kölner Agentur, Marktführer im Nahostgeschäft, meldet „fast hundert Prozent Ausfall“ bei den Dampfertouren auf dem Nil. Dabei haben die ägyptischen Partner gerade neue Luxushotelschiffe in Betrieb genommen. „Der große Andrang zu Weihnachten fällt flach“, bedauert Veranstalter Sonnenburg. Die Buchungen, die üblicherweise jetzt im Herbst für die Feiertag um die Jahreswende eingehen, lassen auf sich warten. Noch 1989 starteten 21 Chartermaschinen pro Woche aus der Bundesrepublik nach Ägypten — derzeit fliegen höchstens drei oder vier. Die „El Dar“-Spezialisten regen sich auf über eine „ZDF-Falschmeldung“, die dazu riet, „Krisengebiete wie Ägypten“ zu meiden. Nur Leute, die sich genauer informierten, seien überhaupt noch bereit, im Nahen Osten Urlaub zu machen.
Die Auswirkungen der Golfkrise auf das Reiseverhalten bekommt auch Israel zu spüren. Im September kamen rund 15 Prozent weniger Besucher als erwartet. In den Luxushotels von Jerusalem, das nach dem Massaker am Tempelberg erst recht gemieden wird, ist teilweise lediglich jedes zehnte Bett belegt. Einbrüche durch politische Krisen haben in Israel freilich schon Tradition. Auch während des Libanonkrieges 1982 und zu Beginn des Intifada-Aufstandes vor knapp drei Jahren blieben die Touristen aus. Besonders aufmerksam werden in Tel Aviv die Stornierungen amerikanischer Juden registriert. Die Kriegsberichterstattung der US-Medien und die offiziellen Warnungen des State Department zeigten offenbar Wirkung — bislang galten die Amerikaner als sicherer Grundstock der israelischen Tourismusindustrie. Auch den Reiseboom im Süden des Landes hat die Golfkrise gestoppt. Eilat, dem Hafen am Roten Meer mit den angenehmen Wintertemperaturen, droht in dieser Saison erstmals die große Flaute. In der Vergangenheit fühlten sich die Urlauber in dieser Gegend weit genug entfernt von den Auseinandersetzungen im besetzten Westjordanien — jetzt aber befindet sich ihr „Bade- und Taucherparadies“ in unmittelbarer Nähe des militärischen Aufmarschgebietes Saudi-Arabien. Als Reaktion stehen die meisten der fast 5.000 Betten in Eilat leer.
Selbst in der Türkei und im fernen Marokko spürendie Reiseveranstalter die umsatzschmälernden Folgen der gespannten Lage am Golf. „Die Leute wollen partout in kein islamisches Land“, beobachtet „El Dar“- Manager Sonnenburg. Fernost und die Karibik sind in diesem Winter die Ausweichziele. Umkehren wird sich der Trend wohl erst, wenn das Thema „Saddam Hussein“ aus den Schlagzeilen verschwindet. Daß daran im Moment nicht zu denken ist, dürfte gerade ein Touristikunternehmen wie die TUI wurmen: Der deutsche Branchenriese bot just in diesem Jahr erstmals Pauschaltouren in die arabischen Emirate an. Die Scheichtümer, aber auch Länder wie Oman und Yemen, waren „gerade im Kommen“, erinnert sich Reisemanager Sonnenburg wehmütig: „Immerhin haben die jetzt die Hotels voll, allerdings nicht mit Touristen, sondern mit Reportern.“ Die Herren Kriegsberichterstatter lauern am Pool auf den ersten Schuß.
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