Zur Vergiftungslage der Nation

■ Pestizide in Erdbeeren, Kopfsalat und Äpfeln/ BGA: „Saisongerecht einkaufen“

Berlin (taz) — Wer regelmäßig Erdbeeren, Äpfel oder Kopfsalat genießt, kann sicher sein, daß er damit auch ein Cocktail von Pestiziden, toxischen Elementen und Nitraten zu sich nimmt. Das geht aus den jetzt vom Bundesgesundheitsamt (BGA) veröffentlichten Ergebnissen einer aufwendigen Untersuchung (Lebensmittel-Monitoring) hervor, die es erstmals erlaubt „repräsentative Aussagen über die Belastung von Lebensmitteln auf dem Markt“ zu machen.

Zwischen Oktober 1988 und September 1989 nahmen die Lebensmittelchemiker insgesamt 6.000 Proben und fahndeten nach insgesamt rund 250 verschiedenen Giftstoffen. In 47 Prozent der untersuchten Äpfel, 69 Prozent der Salatköpfe, 80 Prozent der Erdbeeren konnten Pestizidrückstände nachgewiesen werden. Darunter auch solche Stoffe, die in der Landwirtschaft nicht mehr verwendet werden dürfen, also nur noch als Umweltbelastung vorkommen. „Überhaupt nicht lustig“ findet Peter Weigert, der Leiter der zentralen Erfassungs- und Bewertungsstelle für Umweltchemikalien (ZEBS) insbesondere das Auftreten von mehr als einem Giftstoff in fast jedem fünften Apfel, jedem dritten Kopfsalat und jeder zweiten Erdbeere. In etlichen Proben wurden sogar die geltenden Höchstmengen überschritten, was allerdings nach dem geltenden Lebensmittelrecht zu keinerlei Konsequenzen führt.

Nach den Ergebnissen des Lebensmittel-Monitoring werden die Pestizid-Höchstmengen bei 3,5 Prozent der Äpfel (Schwerpunkt der Herkunftsländer: Frankreich, Belgien), bei 5,8 Prozent der Salatköpfe (führend Bundesrepublik, Belgien) und 6,2 Prozent der Erdbeeren (Spitze sind hier Italien und Spanien) überschritten.

Das Bundesgesundheitsamt hält zwar nicht den einmaligen Verzehr derartig belasteter Nahrungsmittel für gesundheitsgefährdend, fürchtet jedoch offenbar „kumulative gesundheitliche Effekte“, wenn in so eklatantem Ausmaß die gesetzlichen Forderungen nicht eingehalten werden. Den VerbraucherInnen empfiehlt das Amt „saisongerechten Einkauf“. Die Analytiker fanden nämlich heraus, daß sich die Giftbelastung zu „abnormalen“ Erzeugerzeiten konzentriert.

Als „sehr erfreulich“ bezeichnete Weigert gegenüber der taz die Meßergebnisse bei Kartoffeln und Weißkohl. In diesem Fall seien die lebensmittelrechtlichen Vorschriften nur in sieben von 1.300 Fällen verletzt gewesen. Die Untersuchungen des BGA sind auf insgesamt fünf Jahre angelegt. Ab Frühjahr 1991 sollen mit weiteren repräsentativen Meßreihen auch Lebensmittel aus biologischem Anbau untersucht werden. Sie wurden bisher nicht erfaßt. gero