Tazen warten im Post-Beutel

■ Im elektronischen Gehirn ist noch der Wurm / TechnikerInnen suchen Fehler

Das tolle neue Postamt 5 — ein Bremer Schilda? Seit drei Wochen mehren sich die Beschwerden: Da kommt tagelang gar keine Post, dann quellen die Briefkästen wieder über. ZeitungsleserInnen hauen in Ermangelung ihrer gedruckten Frühstückspartnerin erbost dem Frühstücksei eins über den Kopf oder entdecken, daß am anderen Ende des Tisches jemand sitzt. Wütende Anrufe, besonders aus den Postleit-Räumen 2700 und 2900, gehen beim taz-Vertrieb ein. Gestern: „Ich habe jetzt noch nicht meine Zeitung vom Samstag! Immer kommt ein paar Tage gar keine Zeitung und dann wieder mehrere auf einmal! Ich hole mir die Zeitung in Zukunft lieber am Kiosk, da weiß ich, was ich habe!!“ Wir können es nicht ändern.

Die neue Verteilertechnik beim neuen Postamt 5, lange erwartet und endlich betriebsbereit, spielt noch nicht mit. Computergesteuert purzeln dicke Pakete durcheinander, stauen sich, stoßen an den „Verkehrskreuzungen“ zusammen. Die elektronischen Beutelhängebahnen (wo die tazen drin baumeln) kommen häufig zum Stillstand, und die TechnikerInnen der Lieferfirma AEG haben alle Hände voll zu tun. „Irgendwo in dem elektronischen Gehirn steckt der Wurm“, so Karl-Heinz Antelmann, Sprecher der Oberpostdirektion. „Die Koordinierungsstelle ist am Verzweifeln, weil sich die Beschwerden häufen“. Zur Entlastung wandert ein Teil der Paketpost wieder zum Ausweichquartier am Güterbahnhof und wird dort, wie gehabt, von Hand sortiert.

Auch die computergesteuerten Anlagen erfordern Zuarbeit von Hand. Viele TeilzeitkollegInnen sind damit beschäftigt, die nicht maschinenlesbaren Postleitzahlen in eine Tastatur einzugeben, damit die Anlage die Pakete dort abwirft, wo sie hinsollen. Auch die Briefverteilung läuft jetzt über „Videocodierplätze“. „Das ist natürlich schneller und rationeller“, verspricht Antelmann. Die Leute müssen allerdings erst einmal eingearbeitet werden. Angesichts des zu erwartenden Weihnachtsansturmes kann die neue Technik deshalb vorerst keine Arbeitskräfte einsparen. Momentan sucht die Post sogar Aushilfen. Langfristig sei aber schon mit einer Reduzierung, vor allem der Teilzeitarbeitskräfte, zu rechnen.

Daß alles glatt läuft bei diesem „Sprung ins kalte Wasser“, sei eher unwahrscheinlich gewesen, findet Antelmann. „Bei Privatbetrieben merkt das keiner, aber auf uns stürzen sich gleich die Medien und sprechen von Chaos. Das haben die Kollegen nicht verdient.“ Aber inzwischen, so verspricht Antelmann, sei „Land in Sicht“: „Wir sind guten Mutes, daß ab morgen alles wider planmäßig läuft“. Nur in bezug auf die Zeitungen will er keine voreiligen Versprechungen machen.

Kleiner Tip an die BezieherInnen von Postvertriebsstücken im Raum 2700 und 2900: Wenn heute wieder zwei tazen kommen, spart die überzählige auf für morgen - damit das Frühstück wieder schmeckt. bear