: »Harte Zeiten« in Adlershof dauern an
■ Deutscher Fernsehfunk: Wie viele Mitarbeiter werden arbeitslos?/ Kultursenatorin Anke Martiny besuchte den Sender und kritisierte den Alleinvertretungsanspruch des SFB/ Die Zukunft des DFF hängt von Mehrländeranstalt und Privatisierung ab
Adlershof. Pinnwandpsycholgie: Was beim Deutschen Fernsehfunk (DFF) an den Schwarzen Brettern des Personals hängt, sagt einiges aus über die möglicherweise ebenso schwarze Zukunft des ehemaligen DDR-Fernsehens. »Harte Zeiten erfordern starke Gewerkschaften«, heißt es da, nebenan hängen eine rechtliche Aufklärungsschrift über das Kündigungsverfahren in der freien Marktwirtschaft und ein Zeitungsartikel über den CSU-Medienbeauftragten und Privatfunkfan Mühlfenzl, der in den Ostgebiete aufräumen soll. Ein wenig Hoffnung schimmert durch bei der Annonce »Leute gesucht für Betriebsfeuerwehr und Objektschutz« und der Bausparkassenreklame »Wüstenrot: schöner wohnen — besser leben«. — Die Studios, Werkstätten und Ateliers des DFF in Adlershof wurden gestern erstmals von Kultursenatorin Anke Martiny (SPD) besucht, die seit dem 3. Oktober die Rechtsaufsicht über den DFF ausübt. Martiny führte Gespräche mit der Intendanz, den Chefredakteuren und dem Personalrat. Beim Rundgang über das weitläufige Gelände erhielt Frau Martiny Einblicke in die Produktionsstätten. DFF-Intendant Michael Albrecht informierte über die Absicht, die Ateliers und damit die Attraktivität des Medienstandorts Berlin zu erhalten. Konkrete Planungen hingen aber von der künftigen Gestaltung der Rundfunklandschaft in den neuen Bundesländern ab — aber auch von den Größenordnungen, in denen der DFF in Zukunft Produktionen an sich ziehen könne. So müßten vor der Gründung von Atelier- und Produktions-GmbHs sowie der Vermietung und dem Verkauf von Teilen des DFF noch Eigentumsfragen mit der Deutschen Post geklärt werden. Die Frage der Zukunft des DFF sei jedoch nicht nur eine soziale, sondern auch eine des Medienstandorts Berlin.
Für die Bildung einer Mehrländeranstalt unter Einbeziehung von Brandenburg und Sachsen-Anhalt sprach sich die Kultursenatorin aus. Angesprochen auf die komplizierte Lage im Großberliner Raum und das kürzlich gefaßte Votum der Stadtverordnetenversammlung zur Bildung einer gemeinsamen Berliner Landesrundfunkanstalt aus DFF, dem Funkhaus Berlin und dem SFB sagte sie, dies bleibe dem Beschluß eines künftigen Gesamtberliner Parlaments vorbehalten. Gleichzeitig räumte Frau Martiny ein, daß das Beharren auf der Rolle des SFB als dem einzigen Sender Berlins ungeschickt gewesen sei. Martiny: »Das war nicht sehr klug.«
Der Deutsche Fernsehfunk beschäftigt derzeit noch 5.000 Mitarbeiter, von denen 1.000 zum Jahresende bereits gekündigt wurde. Am Wochenende hatte Intendant Albrecht auf einer Medientagung in Leipzig mitgeteilt, daß weitere 1.500 Mitarbeiter Anfang nächsten Jahres entlassen werden müßten. Von den über 2.000 Studiotechnikern soll die Hälfte von Telekom übernommen werden. Die anderen sollen den Sendebetrieb für ein geplantes gemeinsames drittes Programm der ostdeutschen Anstalten aufrechterhalten.
Auf einem Gelände von 17 Hektar in Adlershof und weiteren 21 im nahegelegenen Johannisthal werden jährlich 12.000 Filmproduktionen realisiert. Der DFF hat auch die regionalen Programme der fünf neuen Länder, die gegenwärtig täglich eine Stunde ausmachen, technisch ausgerüstet. In Adlershof entsteht gegenwärtig für 82 Millionen Mark eine neue Sendezentrale, die nach den Vorstellungen Albrechts allen Anstalten der ARD zur Verfügung gestellt werden könnte. kotte/dpa
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