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Kein Platz für die Asylsuchenden?

■ Brandenburg zur Aufnahme von Flüchtlingen noch unvorbereitet/ Westberliner Behörden haben es eilig, Flüchtlinge in die Ex-DDR zu verteilen/ Asylbewerber ins sächsische Niemandsland geschickt

Berlin. Die fünf neuen Bundesländer sollen zwanzig Prozent der Asylsuchenden aufnehmen — so jedenfalls ist es im Einigungsvertrag festgeschrieben. Doch noch ist die nötige Infrastruktur erst im Aufbau — es fehlt an Unterkünften, Anlauf- und Beratungsstellen. Westberliner Behörden jedoch können es anscheinend kaum erwarten, Asylsuchende »umzuverteilen«, egal ob es nun Unterkünfte gibt oder nicht.

Für entsprechende Aufregung hatte ein Schreiben der Sozialverwaltung an den Senator für Inneres sowie die zuständigen Magistratsverwaltungen und die Bezirksämter und Stadtbezirke gesorgt. Darin wurde moniert, daß in Schönefeld ankommende AsylantragstellerInnen weiterhin in Berlin aufgenommen würden — und somit auch die Sozialverwaltung für Unterbringung und Versorgung aufkommen muß. Da der Flughafen Schönefeld jedoch im Land Brandenburg liegt, so die Sozialverwaltung, müßten die Flüchtlinge den gesetzlichen Regelungen entsprechend an die vom Land Brandenburg bestimmte Ausländerbehörde verwiesen werden. Die Berliner Innenverwaltung wird in dem Schreiben aufgefordert, in solchen Fällen »ab sofort nicht mehr tätig zu werden«. Außerdem sei man nicht verpflichtet, für »fälschlich aufgenommene Asylbewerber Leistungen zu erbringen und Unterkünfte zu beschaffen«. — Etwas ratlos reagierte auf Anfrage der Flughafensozialdienst in Schönefeld, der hauptsächlich mit der Betreuung von ankommenden Flüchtlingen betraut ist. Laut Einigungsvertrag müßte das Land Brandenburg mit den anderen vier neuen Bundesländern seit dem 3. Oktober 20 Prozent aller Asylantragsteller aufnehmen, doch »wo sollen wir die hinschicken?« fragte eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes. »Hier gibt es doch noch nichts. Also müssen wir die Leute weiterhin nach Berlin schicken.« Von bereits bestehenden Einrichtungen wie Wohnheimen, Beratungsstellen und Ausländerbehörden ist auch dem Sprecher der Sozialverwaltung, Gallon, nichts bekannt. Er signalisierte erst einmal Entwarnung. »Solange die nötigen Strukturen noch nicht vorhanden sind, nehmen wir natürlich weiterhin die Leute in Berlin auf.« Dies allerdings sei kein dauerhafter Zustand, die Zuständigkeit für die auf dem Flughafen in Schönefeld ankommenden Flüchtlinge liege nun mal beim Land Brandenburg.

Ähnliches Chaos herrscht nach Informationen von Berliner Beratungsstellen auch in den anderen neuen Bundesländern. So seien Asylsuchende, die in Sachsen über die Grenze gekommen und nach Berlin weitergereist waren, von der Ausländerbehörde in dieses Bundesland zurückgeschickt worden — allerdings ohne irgendeine Information, wo und in welcher Stadt sie sich zu melden hätten. anb

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