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UNTERM STRICH

Der Deutsche Musikrat hat sich für die Aufnahme der Kultur als Staatszielbestimmung im Grundgesetz ausgesprochen. Mit der Schaffung einer Kulturklausel solle die Pflicht staatlicher Institutionen, für kulturelle Belange einzutreten — im Gegensatz zur freiwilligen Kulturförderung —, betont werden, erläuterte ein Sprecher des Musikrates am Montag in Bonn. Nach Aufnahme von Vertretern des Musikrates der ehemaligen DDR bei der 26. Generalversammlung gehören der Organisation 82 Verbände von Musikschaffenden an. Wie der Musikrat ferner mitteilte, forderte die Generalversammlung auch die Aufnahme einer „Kulturverträglichkeitsklausel“ in den EG-Vertrag, wonach alle Entscheidungen und Richtlinien auf ihre kulturpolitischen Auswirkungen hin überprüft werden sollten.

Jüdische Künstler aus Tel Aviv, New York und Berlin gestalten bis zum 23. November eine Reihe von Musik-, Theater- und Tanzveranstaltungen im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Als einziges Theaterprojekt zeigen sieben Darsteller aus Tel Aviv das Stück Ephraim kehrt zur Armee zurück des israelischen Autors Yitzhak Laor. Das Stück beschreibt den Konflikt eines israelischen Soldaten, der Gewalttaten an arabischen Demonstranten kritisch gegenübersteht. Es ergreift, so Laor, keine Position gegen den Militarismus, sondern versucht zu beschreiben, wie Unmoral entsteht. Ephraim kehrt zur Armee zurück war von der israelischen Zensurbehörde 1988 verboten worden, weil darin das Verhalten der israelischen Truppen mit dem der Deutschen Wehrmacht verglichen werde. Inzwischen sind die Zensurbestimmungen aufgehoben worden. Die Schauspieler betonten, daß es für sie nach dem Massaker in Jerusalem besonders wichtig sei, dieses Stück zu spielen. Eine Darstellerin meinte: „Das Problem ist, wie wir am Leben bleiben können, ohne die anderen zu töten.“ Das Stück wird am Freitag und Sonnabend jeweils um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt in hebräischer Sprache mit deutscher Simultanübersetzung gespielt.

Reden über Deutschland“ — die Vortragsreihe in den Münchner Kammerspielen wird fortgesetzt, allerdings unter geändertem Vorzeichen. „Deutschland als Ausland, gesehen von Dichtern, Historikern, Philosophen, Politikern aus der Sowjetunion, Amerika, Frankreich, England, Polen und Israel — den vier ,Siegermächten‘ und jenen beiden Ländern, in deren Geschichte der ,deutsche Weg‘ bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wohl die verhängnisvollste Rolle gespielt hat“, heißt es in der Presseinformation. Den Anfang macht am 4. November der sowjetische Schriftsteller Jewgenij Jewtuschenko, es folgen der amerikanische Historiker Robert Gerald Livingston (11.11.), der Franzose André Glucksmann (18.11.), der Brite Timothy Garton Ash (25.11.) und Shimon Peres aus Israel (2.12.). Jeweils um 11 Uhr und, soweit nicht auf deutsch, simultan übersetzt.

Laurie Anderson ist auf Tournee in Deutschland. 'dpa‘ schreibt: „Die Auftritte der Multimediakünstlerin, die sich bescheiden als ,Geschichtenerzählerin‘ versteht, sind glatter, professioneller geworden, die projizierten Bilder karger; alles läuft nach Programm. Auch die Anderson macht einen nüchternen Eindruck. Im Vergleich zu ihren ersten Auftritten in Europa 1986 — als sie noch in einem elektronisch gespickten ,Strampelanzug‘, der auf Berührung hin Geräusche machte, unbändig herumhopste — wirkte ihr Konzert in der Düsseldorfer Philips-Halle am Sonntag abend fast wie ein Vortrag. Anderson dozierte — in ihrem ureigenen, pointenreichen Stil — über aktuelle Probleme in den USA wie Haushaltsdefizit, Rüstungswahn, Obdachlosigkeit oder die Debatte über die Grenzen staatlicher Kunstförderung. Bisher waren ihre Stücke durch bissig- verspielte Tiraden auf Amerika gekennzeichnet. Nun stehen die Sorgen über die Zukunft im Vordergrund: Die Probleme der USA haben die Kunst der Anderson eingeholt, haben sie politischer gemacht. Leere Orte bespricht, beschimpft und betrauert sie in der Performance Empty Places. Dabei steht das ,andere Amerika‘ — arm, eintönig, ungerecht — auf dem Prüfstand. In Liedern wie Coolsville und Hiawatha beschreibt sie alltägliche Orte, deren Bewohner das Träumen verlernt haben. Sie vermittelt in beklemmender Weise die Tristesse und die Trostlosigkeit des Lebens, aufgemischt mit Bruchstücken des amerikanischen Märchens, die die Bewohner solcher Orte immer wieder heraufbeschwören müssen, um weiterleben zu können. Daß die Anderson souverän 60 Prozent des Abends auf deutsch gestaltete, ist zwar rühmlich, ihrer Kunst aber teilweise abträglich: Die Bruchstücke amerikanischer Gemeinplätze, die sie in ihre Kommentare einbezieht und so meisterhaft entfremdet, bleiben auch bei der hervorragenden Übersetzung ihrer Show auf der Strecke.“ Heute in Frankfurt und am 22. November in Berlin.

Der amerikanische Medienzar und CBS-Begründer William Paley ist am vergangenen Freitag 89jährig in New York gestorben. Er hatte 1928 für 400.000 Dollar eine Rundfunkkette in Philadelphia gekauft und diese in einen Medienkonzern mit jährlichem Umsatz von über drei Milliarden Dollar umgewandelt.

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