Alarmsignale

■ Zur Ablehnung des kommunalen Ausländerwahlrechts KOMMENTAR

Überrascht war im Grunde niemand vom Karlsruher Richterspruch. Er paßt ins herrschende politische Klima von Deutschtümelei und Vereinigungswut — auch wenn die völkische Begründung der Robenträger, wonach nur Deutsche zum (Wahl-)Volk zählen, so dünn und dümmlich ist, daß es weh tut. Als ob sie es den ImmigrantInnen noch einmal um die Ohren hauen wollten, haben sie mit diesem Urteil signalisiert, wer in diesem neuen großen Deutschland zusammenwachsen darf und wer draußen bleiben muß. Darin liegt das eigentlich Verheerende dieses Urteils, das vor allem die Berliner ImmigrantInnen zu spüren bekommen werden.

Denn nirgendwo wäre die Signalwirkung des kommunalen AusländerInnenwahlrechts, so gering seine politische Bedeutung auch sein mag, wichtiger gewesen als in Berlin. 300.000 ImmigrantInnen leben im Westteil der Stadt. Viele der älteren sitzen seit dem 9. November 1989 im Geiste schon auf gepackten Koffern; viele der jüngeren fühlen sich schlicht in der Falle: Hier geboren und aufgewachsen, sind sie mit massiver Ausländerfeindlichkeit konfrontiert in einer Stadt, in der die Mauer für die Deutschen zwar gefallen, für die Einwanderer aber noch höher geworden ist. Ost- Berlin ist für sie feindliches Territorium, in West-Berlin fühlen sie sich zwischen schwarzrotgoldenen Fahnen und »Willkommen- Deutschland«-Aufklebern zunehmend nur noch geduldet. Wie muß da ein solches Urteil mit einer solchen Begründung wirken?

An Alarmsignalen von seiten der ImmigrantInnen hat es in den letzten Monaten wahrlich nicht gemangelt — ob es nun Schlägereien der Jugendgangs oder die Appelle der Einwandererorganisationen waren. Bislang hat man sie kaum zur Kenntnis genommen — vor allem nicht in den Reihen der SPD. Sie muß jetzt eindeutig Stellung beziehen für die ImmigrantInnen in beiden Teilen dieser Stadt — auch wenn ihr das in Wahlkampfzeiten mehr als unangenehm ist. Mit Lippenbekenntnissen und dem Hoffen auf Initiativen des Europaparlaments ist es jedenfalls nicht getan. Andrea Böhm