: Besser ein kleines als gar kein Format
■ Helmuth Costards „Der kleine Godard ...“ um 23.05 Uhr auf 3sat
Mit einem frechen Kurzfilm hat sich Helmuth Costard 1968 in deutsche Filmgeschichte eingeschrieben: Durch die Verwendung eines Makroobjektivs wurde da eine Penisöffnung zu einem Mund, der, mit der Stimme eines Bundestagsabgeordneten unterlegt, zum Thema bundesdeutscher Film referiert, schließlich ejakuliert, worauf per sprozzelndem Darmwind eine Kerze gelöscht wird. Das Ganze auch noch — nach dem Prädikat der Filmbewertungsstelle — unverschämterweise als Besonders wertvoll zu titulieren, war dann Provokation genug, um — auf Betreiben des sozialdemokratischen Magistrats — aus dem Programm der damaligen Oberhausener Kurzfilmtage verbannt zu werden.
Andere Regisseure zogen aus Solidarität ihre Beiträge zurück. Costard mußte unter der Anklage der „Verbreitung unzüchtiger Abbildungen“ vor Gericht; zwei Jahre später wurde er freigesprochen.
Der Filmdozent Amos Vogel nannte Besonders wertvoll einen „Markstein in der Geschichte des politischen Pamphlets“. Reclams deutsches Filmlexikon dagegen verzeichnet den Namen Costard nicht ein einziges Mal.
Zehn Jahre nach jenem Eklat machte sich Costard mit einem selbstgebastelten Super-8-Kamerasystem auf die Suche nach den Regisseuren des jungen deutschen Films, den vormaligen Boykotteuren und Avantgardisten. Anlaß war sein eigener Antrag an das Kuratorium Junger deutscher Film auf Förderung eines seiner Projekte. Dieser Antrag wird auf Papier, aber auch auf Acetat geschrieben, das Super-8-Filmmaterial, mit dem Costard die Arbeit seiner Kollegen Hark Bohm und Rainer Werner Fassbinder dokumentiert.
Bohm dreht gerade Moritz, lieber Moritz, Fassbinder schwitzt über Eine Reise ins Licht — Despair, mit den internationalen Stars Andrea Ferreol und Dirk Bogarde. Costard begleitet Jean-Luc Godard zum Norddeutschen Rundfunk, wo der Franzose mit dem zuständigen Redakteur Dieter Meichsner über eine Auftragsarbeit verhandelt zum Thema: „Ist es möglich, heute in Deutschland Filme zu mahen?“
Godard wird unverrichteter Dinge abreisen, Costards Antrag vom Kuratorium abgelehnt werden. Sein wie beiläufig entstandener Super-8-Film wird, vom ZDF mitfinanziert, auf das 16-mm-Format „aufgeblasen“: Costard bleibt eben „der kleine Godard“. Herr Dittmeyer
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