: Geschärfter Blick für Unscheinbares
■ „Sphinx und Co“, ein neues Frauenmagazin vom WDR, 20.15 Uhr, West 3
Eine Sphinx, die Augen mit Fernsehmonitoren bestückt, mit spiralförmigen Brüsten à la Gaultier, liegt majestätisch im Schloßhof der Drachenburg. Die überlebensgroße Figur ist Namensgeberin und Symbol eines neuen Frauenmagazins vom WDR. Zwei Pilotsendungen haben die Redakteurinnen Sonia Mikich und Petra Lidschreiber schon konzipiert, noch ist allerdings unklar, ob dann ein fester monatlicher Sendeplatz folgen wird. Die heutige Premiere jedenfalls läßt hoffen.
Vier Reportage-Themen und zwei Glossen, umrahmt von Esther Schapiras noch etwas zu angestrengt lockerer Moderation, werden in 45 Minuten präsentiert. Den Redakteurinnen geht es nicht so sehr um aggressiven Enthüllungsjournalismus, sondern eher um den anderen Blick auf Aktuelles, auch jenseits der klassischen feministischen Themenpalette. Zum Beispiel ein Besuch bei den Deutschland-Machern Peter Bartels und Herrmann Tietje in Hamburg. Die beiden 'Bild‘-Chefs während der Titelkonferenz für die Ausgabe zum 3. Oktober: Schwarz-Rot- Gold natürlich, „Deutschland“ ganz fett. Die Kamera beobachtet die Meinungsmacher, wie sie sich breitbeinig in den Ledersesseln räkeln. Bartels flüstert verschwörerisch: „Ich bin ein männlicher Typ.“ Sein Verhältnis zu Erotik und Macht? Sexuelle Abenteuer habe er auch schon als einfacher Redakteur gehabt. Der Beitrag ist nur sparsam kommentiert. Doch es lohnt sich, genau hinzusehen, Tietjes Körpersprache und Mimik zu beobachten. Sie erzählen mehr als die Töne, die er von sich gibt. Arroganz der Macht, gerade auch gegenüber dem Fernsehteam. Man habe überall drehen dürfen, aber auch nur wenig entdeckt, bemerkt die Sprecherin zum Ende. Das klingt ganz nach einer Entschuldigung, weil es im Reich des Bösen so übel gar nicht ausschaut.
Ehemalige Zwangarbeiterinnen einer Waffenfabrik in Stadt-Allendorf kehren erstmals an die Stätten der furchtbaren Vergangenheit zurück. Sphinx und Co ist dabei, als fünf alte Damen bei der Firma Dynamit Nobel, die nie irgendwelche Entschädigungen an die Opfer des Nazi- Terrors gezahlt hat, Einlaß erbitten. Der Empfang ist kurz und eisig, Kameras sind nicht erwünscht. Der Pressesprecher der Firma verweigert jede Stellungnahme. Die Einwohner des hessischen Städtchens reden wenigstens, auch vor der Kamera. Reue oder Scham zeigen sie jedoch nicht. Die TV-Frauen haben eine Kuhweide entdeckt, die mit genau dem Zaun eingefaßt ist, der einst die KZ-Insassen am Fliehen hinderten sollte. „Resteverwertung“! Der Blick für solche scheinbaren Nebensächlichkeiten ist es, den die Frauen beibehalten sollten.
Zwei weitere Themen leuchten der Sphinx noch aus den Augen, von denen eines wirklich unter die Haut geht: das Leben in einem Dorf im besetzten Westjordanland. Ein ganz junges Mädchen sagt mit einem Lächeln: „Zwei, drei Tote jeden Tag. Man gewöhnt sich daran.“ Der palästinensische Widerstand in seiner ganzen Trostlosigkeit. Insgesamt bot die Sphinx eine breite Themenpalette, ein bißchen zu beliebig noch. Für kommende Sendungen könnte das Zwitterwesen zum scharfen Blick noch den entsprechenden Biß gebrauchen. Ute Thon
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