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Ein Haus für den Mitsubishi-Chef

■ Sechs Leute besetzen Villa in Hohenschönhausen, gründen Verein »Soziales Wohnen«, werden erst vom Bürgermeister unterstützt, treiben Sanierungsgelder auf — und müssen jetzt wieder raus

Hohenschönhausen. Es geht ums Geld. Wenn es einen Grund gibt, warum die sechs Erwachsenen mit ihren drei kleinen Kindern nicht in der heruntergekommenen Villa in der Manetstraße wohnen bleiben dürfen, dann deshalb. Hohenschönhausens Bürgermeister Rudolf Buschko (SPD) will die BesetzerInnen nun nicht mehr: Die Nachfolgerin der Kommunalen Wohnungsvergabe, die Hohenschönhausener Wohnungsbaugesellschaft HoWoBau, habe 540 Millionen DM Schulden. Sie wolle deshalb Häuser an »lukrative Bewerber« verkaufen. Die Besserverdienenden würden nicht nur die Schulden tilgen, sondern auch den Lebensstandard erhöhen, erklärt der Sozialdemokrat.

Kurz zuvor hatte der Bezirkspolitiker Besuch aus Amerika. Ein Architekt hinterließ seinen Vierfarbkatalog. Buschko war begeistert. »Natürlich«, sagt er und zeigt dabei auf ein Katalogfoto, das einen anthrazitfarbenen Wolkenkratzerkomplex abbildet, »soll es hier nicht so aussehen«. Aber ein unverwechselbares Zentrum wünscht sich der Kommunalpolitiker schon. Auch der Generalvertreter der Autofirma Mitsubishi hat bei Buschko bereits wegen eines Hauses angefragt. Da soll die Wohngemeinschaft lieber ein paar Kilometer weiter ins Neubauviertel weichen.

Die sechs Erwachsenen und die drei Kinder habe die Not zusammengetrieben, erklärt Marina Orejvela (32). Sie ist vor ihrem geschiedenen Ehemann aus ihrer alten Wohnung geflüchtet, weil der Ex-Mann mehrmals in die Wohnung »einstieg«. Ihre drei Kinder wollen deshalb nicht zurück in die alte Wohnung. Zwei Bewohnerinnen arbeiten in einem Frauenhaus, der Sozialarbeiter Frank Kirschnek im benachbarten Caritas- Haus. Im Neubau sei ein Zusammenwohnen nicht möglich. Man würde nicht in einer Wohnung wohnen können. Nach ersten Gesprächen mit dem Bezirksbürgermeister besetzte die Gruppe das Haus Ende September. Nachdem die Wohngemeinschaft ihren Verein »Orfizaki — soziales Wohnen« gründete, war es auch möglich, im Westteil der Stadt Geld loszueisen. Das Sozialpädagogische Institut (SPI), Sanierungsträger, habe die nötigen Renovierungsgelder für das zweistöckige Haus in der Manetstraße zugesagt. 15 Prozent der Summe müßten die BewohnerInnen in Eigenleistung erbringen. Ursprünglich soll Buschko dem Projekt nicht abgeneigt gewesen sein. Sein neues Argument: Er könne die HoWoBau nicht anweisen, und die GmbH wolle die Besetzer nicht in der Villa. Anstatt den Magistrat einzuschalten, der sich bei der HoWoBau einmischen darf, verlassen nun die Besetzer ihr Domizil kampflos.

In der Manetstraße 73 — in derselben Straße wohnte vor der Wende der Devisenschieber-Chef Schalck-Golodkowski — sollten vier Arztpraxen entstehen. Sollten — denn der Vertrag zwischen damaliger KWV und der Dresdener Baufirma GeoPlan soll wieder rückgängig gemacht werden. Nach diesem Vertrag würde die GeoPlan, die Buschko als dubios betitelt, das Haus »ziemlich billig« bekommen und kann es abreißen lassen. Buschko sieht für die Arztpraxen keinen Bedarf. Im Umkreis gibt es mehrere Polikliniken, die privatwirtschaftlich weiterarbeiten werden. Dirk Wildt

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