: Rechte will durch Vernetzung Einfluß gewinnen
Neue Parteigründung gegen Reps erwogen/ Heute Kongreß „Initiative Deutschland 90“ in Koblenz: „Vernetzung“ der Splittergruppen, Europa-Gedanke kontra polnische Westgrenze/ Präsident des „Gesamtdeutschen Instituts“ hält Vortrag ■ Von Hermann Smyd
Mainz (taz) — Die deutsche Ultrarechte plant eine engmaschige „Vernetzung“ ihrer Splittergruppen und strebt die Gründung einer neuen, gesamtdeutschen Partei an. Erste Kontakte wollen die Rechtsextremisten auf ihrem „Kongreß Initiative Deutschland 90“ knüpfen, der am heutigen Samstag um 10.30 Uhr in Koblenz stattfindet. Leitmotiv des Treffens: „Wir haben nur eine politische Chance: Entweder wir vernetzen alle nonkonformen, patriotischen Kräfte, oder das Abseits bleibt ein Dauerzustand“.
Erwartet werden laut Veranstalter „150 bis 200 Teilnehmer“, darunter auch Vertreter der Rechtsextremistenszene aus Berlin-Ost und Magdeburg. Der ursprünglich vorgesehene Tagungsort, das Koblenzer „Haus der Begegnung“, hat abgewunken. Ein Ersatzveranstaltungsort, der nun innerhalb von Koblenz gesucht wird, stand am Freitag noch nicht fest. Gegenaktionen sind bisher nicht geplant.
Hinter dem Kongreß stecken drei Zeitungen der sogenannten „neuen Rechten“: 'Junge Freiheit‘ um Dieter Stein (Stegen/Freiburg), 'Wir selbst‘ um Siegfried Bublies (Koblenz) und 'Europa‘ um Harald Thomas (Wesseling). Wie Harald Thomas gegenüber einem Interessenten erklärte, geht es bei dem Treffen um „die deutschlandweite Vernetzung der unterschiedlichsten Gruppierungen, die derzeit noch alleine vor sich hinwurschteln“. Ferner würden „eine Reihe zusätzlicher Projekte — wie regionale Kreise, Verlage, Zeitschriften“ — diskutiert sowie neue Strategien der Rechten im vereinten Deutschland.
Für den „Kongreß“ gewannen die Rechtsextremisten einen hochrangigen Beamten aus Bonn: Detlef Kühn (FDP), den Präsidenten des staatlichen „Gesamtdeutschen Instituts“ in Bonn. Kühn bestätigte gegenüber der taz, er habe sein Kommen zugesagt. Und dies trotz des in Protestbriefen geäußerten Vorwurfs, er unterstütze damit rechtsextremistische Ideen. Sein Engagement sei in Bonn bekannt, so Kühn, aber niemand habe ihm die Teilnahme verboten. Dagegen behauptete Harald Thomas: „Kühn steht in Bonn momentan zwar massiv unter Druck, aber er hält durch und kommt.“ Vom Ausmaß des Koblenzer Kongresses, so Kühn, und der angestrebten Gründung einer neuen rechten Partei habe er bislang „nichts gehört“.
Immerhin gibt Kühn unumwunden zu, publizistische Bindungen zu 'Wir selbst‘ zu pflegen. Das Blatt, das er seit längerem kenne, habe wiederholt seine Reden abgedruckt und Interviews mit ihm geführt. In seinem Vortrag vom Samstag, „Deutschland nach der Wiedervereinigung“, gehe es unter anderem um die Anerkennung der polnischen Westgrenzen, wenn auch „nicht zentral“. Für ihn sei aber der deutsch- polnische Grenzvertrag „eine endgültige Entscheidung“, sagt Kühn. In Thomas' Darstellung klingt das weniger harmlos: Kühn vertrete in seinem Vortrag zwar mehr die „Verhandlungsposition“ — setze aber zugleich auf Maßnahmen „vom Minderheitenschutz bis zur Staatsbürgerschaft“ und „auf die Rücksiedlung durch die D-Mark“. „Gerade über die Wirtschaftspolitik“, schwärmt Thomas, „eröffnen sich wieder ungeahnte Möglichkeiten“ — vor allem in Polen.
Um die polnische Westgrenze zu unterlaufen, jonglieren Ewiggestrige wie Thomas sogar mit Argumenten der Europäischen Gemeinschaft 1993: „Wenn Grenzen doch an Bedeutung verlieren, wieso betoniert man ausgerechnet hier dann Grenzen wieder fest.“ Thomas selbst jedoch treibt statt irgendwelcher Ideale eher schlichter Eigennutz nach Polen, besonders „Schlesien“: „Mein Großvater hatte da drüben einen Bauernhof — und der gehört mir!“
Auch wenn es Kühn nicht recht ist — Thomas schätzt ihn als Sympathisanten ein: „Der Kühn ist ein Nationalliberaler. Man muß ja auch ein paar Zugpferde haben, um sich Reputation zu verschaffen. Es ist ganz wichtig, daß diese Strömung quer durch alle Parteien geht: in die CDU/ CSU, in die FDP, in das vernünftige Lager der Sozialdemokraten.“
Um derartiges Gedankengut möglichst weit zu verbreiten, haben die Ultrarechten inzwischen offenbar weitreichende Seilschaften in den Massenmedien geknüpft. Heiße Drähte gebe es nicht mehr nur zum 'Ostpreußenblatt‘ und zum 'Schlesier‘, sagt Thomas. Vielmehr „gehen redaktionelle Dinge bis in den Rundfunk und das Fernsehen hinein und in andere große Tageszeitungen“. Das sei „ja genau die Vernetzung“, auf die es ankomme. Nach außen hin freilich könne sich „das Spinnennetz“ (Thomas) „nicht so offen zeigen, und wir sind gut beraten, die Namen nicht weiterzugeben, weil die in unserem Sinne wirken und versuchen, Dinge da unterzubringen“.
Laut Thomas wird die neue Partei heute zwar „noch nicht ausgerufen“, sie werde auch noch nicht dieses Jahr kommen. „Aber wir wollen jetzt eine Infrastruktur aufbauen und eine Mannschaft von jungen Leuten“. Die Veranstalter wollen dazu, so Thomas, „alle Anschriften erfassen und dann rauskitzeln, wer weiterhin mitmachen möchte“. Ans Ruder der neuen Partei sollen Leute kommen, „die jahrelang ihre Arbeit gemacht haben in funktionierenden Projekten wie Zeitschriften, Verlagen, Gewerbebetrieben“. Ex-Repse indes müßten draußen bleiben. Sie, urteilt Thomas, hätten „nicht nur abgewirtschaftet“, sondern „ihre ganzen Vorschußlorbeeren in Mißkredit gewendet“.
Das Geld für ihre „politischen Projekte“, plaudert Thomas weiter, komme aus „unseren eigenen funktionierenden Unternehmungen: Setzereien, Druckereien, Buchverlage, Versande.“ In diesen Betrieben sollen künftig weitere Arbeitsplätze geschaffen werden, um „jungen Leuten“ Anstellungen zu bieten — „immer unter dem Gesichtspunkt der politischen Stoßrichtung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen