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“Und wann stellt Dein Land einen Antrag?“

■ Bremens Frau in Brüssel: Karin Jöns / Im „Informationsbüro Bremen“ bringt sie Geld und Leute zusammen

“Sie müssen das Wie und das Wo wissen und dann mit den Leuten essen gehen“, beschreibt Karin Jöns, Leiterin des Bremer Informationsbüros in Brüssel, ihre Arbeit. Wichtigste Aufgabe dabei: EG-Gelder nach Bremen zu schaffen. Jöns: „Das Informationsbüro ist das 'politische Frühwarnsystem der EG-Kommission'“.

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Davon überzeugte sie eine Gruppe Bremer JournalistInnen, die auf Einladung der Landeszen trale für Politische Bildung und der Bundeswehr nach Brüssel gekommen waren: Immer bemüht, „das alles jetzt ein bißchen informell zu machen“, immer in einem Tempo, das ihren ZuhörerInnen und BegleiterInnen den Atem verschlägt.

Karin Jöns kennt das „Wie und das Wo“, wenn es noch als erstes inoffizielles Arbeitspapier in der

„Immer in einem Tempo, das ihren ZuhörerInnen den Atem verschlägt...“

EG-Kommission herumschwirrt. Wenn sie z.B. von einem Papier über die Vergabe von Forschungsgeldern hört,ruft sie gleich bei der Uni in Bremen an: „Leute, da kommt was, bereitet Euch vor.“ Nur so können die Antragsfristen auch eingehalten werden.

Und für den Empfang von „Frühwarnungen“ ist Essengehen unumgänglich. In einem Fall dinierte die „Informations-Managerin“ mit einem griechischen Vertreter der EG-Kommission, der sie bei dieser Gelegenheit fragte: „Dein Land wollte doch einen Antrag auf die Einrichtung einer EG-Unternehmensberatungsstelle in Bremen stellen. Wo ist der?“ Die Handwerkskammer, mit der alles abgesprochen war, hatte den Antrag nicht gestellt. Acht Tage vor Ablauf der

„Polizisten müssen als Maler Geld verdienen.“

Frist konnte Karin Jöns mit dem VDI (Verein der Ingenieure) in Bremen einig werden. Heute gibt es die EG-finanzierte Unternehmensberatung in Bremen.

Wahrscheinlich wäre Bremen arm dran, wenn es Karin Jöns nicht gäbe. Um als Drahtzieherin in Sachen EG-Mittel wirklich alle Fäden in der Hand zu behalten, braucht es eine Frau wie sie: unschlagbar in Sachverstand, Charme und entwaffnender Offenheit. Beim ersten Prost erzählt sie Brüsseler Anekdoten. Da hat beispielweise jemand auf eine Zeitungsannonce hin Maler bestellt. Am nächsten Morgen steht die Polizei vor der Tür. Auto im Parkverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, Steuerfahndung? Nach dem ersten Schreck stellt sich heraus: Die Polizisten sind die Maler. Sie vertauschen ihre Uniformen mit Malerkitteln. Denn auch sie verdienen, wie fast alle StaatsdienerInnen in Belgien, sehr wenig. Sie müssen auch während der Dienstzeit Nebenjobs annehmen, um sich über Wasser zu halten. In Schwarzarbeit ist Belgien unschlagbar.

Karin Jöns, 37 Jahre alt, in Kiel geboren und zeitweise in Schweden aufgewachsen, studierte Politik, Geschichte und Slavistik und begann schon während des Studiums journalistisch zu arbeiten.

„An den Rau kam man nicht ran, der war wie in Watte gepackt. Ich habe für ihn Wahlkampfreden geschrieben.“

Heute spricht sie sechs Sprachen. Mit Heinz Klunker als Chef machte sie — selbst im ÖTV-Vorstand — die ÖTV-Zeitung, wurde dann Pressereferentin bei Günter Czichon, dem damaligen Senator für Bundesangelegenheiten, warb mit Hans Koschnik für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit und schrieb anschließend für Johannes Rau Wahlkampfreden. Nach der verlorenen Bundestagswahl kehrte sie „reumütig“ nach Bremen zurück: „An den (Rau) kam man nicht ran, der war wie in Watte gepackt.“ Und das ist nichts für eine Frau wie Karin Jöns. Sie „hörte“ dann von dem Plan, in Brüssel ein „Informationsbüro Bremen“ zu eröffnen und bewarb sich gleich mit Konzept, wie ein solches Büro nach ihren Vorstellungen arbeiten müßte. Das war im Sommer 1987.

Nun sitzt sie in einem traditionsträchtigen Brüsseler Bürgerhaus in direkter Nachbarschaft mit Informationsbüros von Hessen, Nordrhein-Westfalen und — Krupp-Atlas-Elekronik.

Der Büroalltag von Karin Jöns ist zuweilen die reinste Telefonseelsorge für EG-BürgerInnen. Jemand ruft beispielsweise an und fragt, ob das vollautomatische Auto jetzt nicht mehr gefördert wird. Karin Jöns erklärt den staunenden JournalistInnen, daß der Anrufer schon seit längerer Zeit einen Kleinkrieg mit Forschungsminister Riesenhuber um die Förderung seiner Erfindung führt. Andere AnruferInnen fragen, wer in der EG Feuerwehrkräne herstellt. Oder: Warum sie den Finanzsenator nicht gewarnt hätte, daß der Zoll für isländischen Rotbarsch um drei Prozent erhöht worden sei. Die Bremer Fischwirtschaft war in Aufruhr. Karin Jöns forschte nach und fand heraus, daß es nicht der Rotbarsch mit den kleinen, sondern der mit den großen Augen war oder umgekehrt... . Jedenfalls konnte sie Entwarnung geben.

Die Liste von EG-Fördermöglichkeiten für Bremen ist lang. Als „friedensgeschädigte Region“ kann es demnächst besondere Zuwendungen für die Rüstungskonversion beanspruchen. Eine entsprechende Studie ist von der EG-Kommission in Auftrag gegeben worden.

Geld fließt bereits für die berufliche Wiedereingliederung von Frauen, Behinderten und Langzeitarbeitslosen und für die Modernisierung von Betrieben.

Außerdem für Sprachförderung bei den Bremer Bildungsinstitutionen, (“die wußten gar nicht, wie sie–s ausgeben sollten“), für Denkmalschutz, für einzelne Projekte wie die Energieplanung in Rostock, zur Förderung der Führungskräfte in der Wirtschaft (Sprachen plus Volkswirtschaft), Weiterbildung in Richtung EG-Binnenmarkt für arbeitslose AkademikerInnen, für joint ventures und innovative Frauenprojekte, Unternehmensgründungen und Pilotprojekte. Unzählige Kulturförderprogramme runden das Bild ab.

Beate Ramm

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