„Die FAO will sich nur profilieren“

■ Gordon Shepherd vom „World Wide Fund for Nature“ (WWF) zur Behauptung der UNO-Ernährungsorganisation FAO, die Klimaerwärmung sei positiv für die Landwirtschaft INTERVIEW

taz: Was sagen Sie zu der Behauptung der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, FAO, die „Gesamtauswirkung“ der globalen Erwärmung für die Agrarwirtschaft sei „positiv“?

Gordon Shepherd: Das ist eine unglaublich unsinnige und verantwortungslose Aussage.

Die FAO verweist auf die Steigerung der Weltweizenproduktion...

Das spiegelt allein die Interessenlage des Nordens wider. Die Steigerung der Weizenproduktion würde vor allem in den USA und der UdSSR stattfinden. Die Folgen einer Erwärmung für andere Regionen der Erde, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, wären verheerend. Es kann nicht darum gehen, die Überschußproduktion von Nahrungsmitteln im Norden weiter zu steigern. Es gilt, die Sicherheit der Nahrungsmittelherstellung und Versorgung in den einzelnen Ländern oder zumindest den Regionen wiederherzustellen. Die FAO hat in ihrer Studie außerdem andere wichtige Fragen neben der landwirtschaftlichen Produktion sträflich vernachlässigt.

Welche?

Die Frage der Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Meere, Flüsse und Seen und damit auf die Fischbestände — für drei Viertel der Menschheit immer noch die Hauptproteinquelle. Auch die durch einen Anstieg der Temperaturen bewirkte Verlagerung von Biotopen, Nistplätzen und Nahrungsmittelgründen für zahlreiche Tierarten wurde von der FAO überhaupt nicht berücksichtigt. Forschungen belegen, daß ein Temperaturanstieg von nur einem Grad Celsius — der laut IPCC-Studie ja in den nächsten dreißig Jahren erfolgen kann — von zahlreichen Pflanzen und Tieren eine Verlagerung ihres bisherigen Standortes oder Lebensbereiches um hundert Kilometer nordwärts verlangt.

Wie erklären Sie sich die Position der FAO?

Mit dem Druck, sich zu profilieren, gerade auch gegenüber potentiellen Geldgeberländern. Die Organisation ist in einem sehr schlechten finanziellen und politischen Zustand. Viele ihrer Programme funktionieren nicht. Das verstärkt die ohnehin latent bestehende Konkurrenz zu anderen UNO-Organisationen wie in diesem Fall der Weltmeteorologie-Organisation (WMO) oder dem UNO-Umweltprogramm (UNEP), die wichtige Arbeit zum Thema Klimawechsel leisten. Anders als diese beiden Organisationen gehörte die FAO weder zu den Veranstaltern der Weltklimakonferenz noch zu den Herausgebern der wegweisenden IPCC-Studie zum Klimawechsel. Interview: Andreas Zumach