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„Feste Soldatenschritte“

■ Erster Tag der Offenen Tür beim Frankfurter Regiment „Berlin“/ Von Deserteuren nichts bekannt

Frankfurt/Oder (taz) — Vor der Kantine ist das täglich Brot aufgebaut: je ein Stück Fisch und Fleisch, Teller mit Reis, Hirse und Nudeln, drei Kartoffeln, eine Zwiebel, zehn Scheiben Graubrot, 15 Stücke Würfelzucker und ein Dutzend filterlose Zigaretten. Die zwei Eier in der Mitte des Tisches gibt es allerdings nur am Wochenende. „Wer's glaubt, wird selig“, kommentiert ein junger Frankfurter Familienvater die tägliche Rjadowoi-(Soldaten-)Ration. „Das wäre ja besser als bei uns im Betrieb.“

Zum ersten „Tag der Offenen Tür“ beim Pionierregiment „Berlin“ kamen reichlich Journalisten, Bundeswehroffiziere und Lokalpolitiker. Die Bevölkerung tröpfelte nur spärlich auf das Kasernengelände — „Es stand nichts in der Zeitung“, hieß es.

Waffenfans gingen leer aus, denn die auf Pontonbrückenbau spezialisierte 450-Mann-Einheit hatte nur einige Spezial-Lkw, Schnellboote und einen voll ausgerüsteten Helmtaucher vorzuführen. Dafür wurde viel gesungen und marschiert, denn die „Schritte des Soldaten sind fest“, wie es in einem Militär-Song heißt.

Fest sollen auch Moral und Disziplin bei der Pioniereinheit sein. Desertionen habe es bisher nicht gegeben, versichert der Vizekommandant Vladimir Rudenko. Auch vom Waffenhandel, den verarmte Soldaten betreiben sollen, will er nichts gehört haben.

Die Soldaten haben von den Abhauern nur „gehört“ — aus dem sowjetischen Radio. Bei ihnen gebe es das nicht, sagt Anatolij, ein Wehrpflichtiger. Er vermißt die Kontakte zur Bevölkerung und zu einer Partner-LPG, die in letzter Zeit eingeschränkt worden sind. Auf die Frage nach dem Sinn seines Jobs reagiert er mit einem Schulterzucken: „Wir schützen den Frieden.“ Reicht der Sold von 25 Mark im Monat? „Es ist nicht viel, könnte mehr sein.“ Und was hält er von den Veränderungen in Ostdeutschland? Er und viele andere in der Armee hätten widersprüchliche Eindrücke. „Die meisten Deutschen verstehen es ja selbst nicht.“

Keiner weiß bisher, wann der Abzug für das Regiment beginnen soll. Frankfurt soll jedoch relativ spät geräumt werden, da über die Grenzstadt die Transporte in Richtung Osten laufen werden. Ein Frankfurter Ratsdezernent hat sich schon einmal die noch aus Wehrmachtszeiten stammenden Kasernengebäude angeschaut. „Äußerlich gut in Schuß“ befindet er. Zufrieden ist auch ein Offizier des neuen Bundeswehr-Territorialkommandos Ost. „Sehr guter Eindruck“, resümiert er den Tag beim früheren Waffenfeind. Christian Böhmer

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