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»Ein Soldat zieht mit der Uniform nicht seine Überzeugung aus«

■ Eine Diskussion beim Landesjugendring zum Thema Wehrdienst für Berliner ab 1991

Berlin. »Streitkräfte sind heutzutage eine Konzession an rückständiges Denken«, und »die Nato ist ein überholtes Bündnis, das auf den Müllhaufen der Geschichte gehört«. Mit diesen Thesen eröffnete der von Bundesverteidigungsminister Stoltenberg wegen allzu heftiger Kritik an der Verteidigungspolitik beurlaubte Flottillenadmiral Elmar Schmähling vorgestern abend eine Informationsrunde zum Wehrdienst für Berliner. Unter dem Motto »Frieden schaffen... an die Waffen?« hatte der Landesjugendring außerdem einen aktiven Bundeswehrmajor, Kriegsdienstverweigerer und einen Rechtsanwalt eingeladen, das etwa 100köpfige, durchweg jugendliche Publikum über ihre Rechte und Pflichten zu beraten.

Ab Januar 1991 soll der erste Jahrgang Berliner Wehrpflichtiger erfaßt werden. Betroffen sind zunächst die 1971 geborenen jungen Männer. Aber nicht nur die 20jährigen müssen den Wehrdienst in ihre Lebensplanung einbeziehen, sondern auch Ältere wie ein 31jähriger Sinologe, der 1978 als Wehrflüchtling nach Berlin gekommen war und nach eigenen Angaben mittlerweile als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist. »Manchmal hat man den Eindruck, in den Kreiswehrersatzämtern im Bundesgebiet machen die Leute Überstunden, um aus Rache auch noch den letzten Berliner ‘Wehrflüchtigen‚ kurz vor Toresschluß für den Dienst am Vaterland dingfest zu machen«, sagte der Rechtsanwalt Kajo Frings, der Wehrdienstverweigerer über ihre Rechte berät.

Christian Herz, ein Totalverweigerer, dessen Fall alle Instanzen beschäftigte, hat der Einführung der Wehrpflicht in Berlin den Kampf angesagt. Daß sich Soldaten auch in ihrer Freizeit im Olivgrün ihrer Uniformen in der Stadt zeigten, findet Herz »stillos und provozierend«.

Nicht so der Major Peter Machalowsky, der seit dem 3. Oktober mit den ersten 1.000 Berliner Bundeswehrsoldaten in der ehemaligen Kaserne der aufgelösten Nationalen Volksarmee in Strausberg stationiert ist. Er findet es »ehrlicher«, schließlich sei er Berufssoldat und könne seine Überzeugung nicht mit der Uniform ausziehen, sagte er. Auch habe er noch keine negative Resonanz in der Bevölkerung erfahren.

Auf die Frage, warum denn heute überhaupt noch eine Bundeswehr nötig sei, verwies der Major auf seinen Verfassungsauftrag. »Wenn zwei Drittel der Bevölkerung die Auflösung der Bundeswehr beschließen, gehe ich gerne nach Hause«, sagte er [in Uniform, wegen der Überzeugung? d.Korr.]. Der beurlaubte Admiral Schmähling denkt da weiter: In einer Zeit der zunehmenden Abrüstung und Europäisierung »findet die Bedrohung nur noch in unseren Köpfen statt«. Die Nato habe als Bündnis gegen die Sowjets ihre Funktion verloren, sagte Schmähling. Barbara Maaßen/ap

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