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Aus Magistrats- werden GmbH-Löwen

■ Landesregierung entschied über die Zukunft der Ostberliner Kultureinrichtungen/ »Distel« wird privatisiert

Berlin. Fast auf den Tag genau vor einem Monat überraschte AL-Sprecher Benedikt Hopmann die Öffentlichkeit mit einem internen 14Seiten-Papier aus dem Rathaus Schöneberg. Die Senatsvorlage Nr. 1499/90, ausgearbeitet von den Innenverwaltungen beider Stadthälften, in der es um die Zukunft der bisher dem »Magistrat nachgeordneten Einrichtungen« ging, sorgte vor allem unter den betroffenen Ostberliner Kulturarbeitern für Aufregung. Die AL sprach in ihrer Presseerklärung von einem »kulturellen Kahlschlag«, der »alle Befürchtungen einer Politik des Ausverkaufs und der Zerstörung gewachsener Identität« bestätige. Doch als gestern die von Magistrat und Senat gebildete Landesregierung dem Pätzold-Krüger- Papier zustimmte, schwieg die AL.

Nach der gemeinsamen Sitzung im Roten Rathaus teilte Kulturstadträtin Irana Rusta (SPD) gestern auf einer Pressekonferenz mit, daß die Volksbühne, das Maxim-Gorki- Theater und das Theater der Freundschaft als Bühnen des Landes Berlin weitergeführt werden. Das Metropol-Theater, der Friedrichstadtpalast und das Puppentheater hingegen sollen ebenso wie das Haus der Jungen Talente als GmbH weiterarbeiten.

Staatssekretär Hannes Kirchner aus dem Hause Martiny wies darauf hin, daß damit »kulturelle Einrichtungen im Ostteil der Stadt erhalten bleiben«. In einigen Bereichen müsse aber der Personalbestand verringert werden, damit die Einrichtungen »eine Zukunft« hätten. In dem Beschluß der Berliner Landesregierung wird unter Bezug auf den Einigungsvertrag darauf hingewiesen, daß auch bei »überführten« — das heißt künftig landeseigenen — Einrichtungen individuelle Kündigungen wegen »fehlenden Bedarfs, mangelnder fachlicher Qualifikation und Leistung und aus in der Person liegenden Gründen, die eine Beschäftigung in einer demokratisch orientierten Verwaltung auschließen«, möglich sind. Über die früher zentral von der DDR-Regierung finanzierten Einrichtungen wie die Staatsoper, das Schauspielhaus und die Komische Oper solle erst nach weiteren Gesprächen mit Bonn entschieden werden.

Das Märkische Museum werde in Verbindung mit dem Berlin-Museum eine Konzeption als regional-/ stadtgeschichtliches Museum erarbeiten. Für den Tierpark ist die Gründung einer GmbH in Abstimmung mit dem Zoologischen Garten vorgesehen, das Schloß Friedrichsfelde bleibt dagegen in der Zuständigkeit der Kulturverwaltung. Für die Archenhold-Sternwarte und das Großplanetarium sind »freie Trägerschaften« vorgesehen. Der Kulturpark wird zur Verpachtung ausgeschrieben. Die Berliner Stadtbibliothek soll als städtische Einrichtung erhalten bleiben.

Das Kabarett »Distel« werde in private Trägerschaft übergehen. Wie Kulturstadträtin Irana Rusta dazu sagte, sei die Frage des neuen Trägers noch offen. Aufgelöst würden die Konzert- und Gastspieldirektion, die Berliner Festtage und die Kulturdirektion Berlin, jedoch solle aus ihnen eine landeseigene Veranstaltungs-GmbH errichtet werden. In allen Fällen sind Finanzierungen für die nötigen Übergangsfristen gesichert. a.m.

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