: „Don Camillo“ vor Gericht
■ Ein Göttinger Pfarrer vertrieb mit Minisendern Gottes Worte
Göttingen (taz) — Wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen können, dann muß die Kirche eben zu den Menschen gehen. Von diesem Motto hat sich Johan van den Brule, katholischer Priester aus Breitenberg bei Göttingen, seit 1984 leiten lassen. Mit selbstgebauten Minisendern, „den Mitteln meiner Zeit“, übertrug der gelernte Radiomechaniker Gottesdienste in die Haushalte seiner Gemeinde.
Für die Deutsche Bundespost und die Staatsanwaltschaft ein klarer Fall: Verstoß gegen das Fernmeldeanlagengesetz. Doch davon will der Geistliche bis vor kurzem noch nie etwas gehört haben. In Indonesien, wo van den Brule als niederländischer Soldat in den Nachkriegsjahren Dienst tat, „mußte ich auch nie jemanden um Erlaubnis fragen, wenn ich ein Funkgerät benutzt habe“.
Alarmiert von auf den umliegenden Hügeln postierten Peilwagen, durchsuchte die Polizei in den vergangenen Jahren ein halbes dutzendmal die Breitenberger Kirche und die Wohnung des Priesters. Etliche Sender und noch mehr Senderattrappen, nur nachlässig hinter dem Altar oder hoch im Gemäuer des Gotteshauses versteckt, wurden beschlagnahmt. Doch den „Don Camillo aus dem Eichsfeld“, wie van den Brule sich selbst gern nennt, focht das nicht weiter an. Während er, um die Durchsuchungstrupps zu foppen, aus Spielzeugautos ausgebaute Fernsteuerungen wie Ostereier in seinem Haus auslegte, brachten Sympathisanten des Funkpiraten einen neuen Sender an — „so gut, daß man die Kirche Stein für Stein abtragen muß, um ihn zu entdecken“ (van den Brule).
Stoppen konnte den sendungsbewußten Priester erst ein Verbot des Bischofs. „Schweren Herzens“ und mit einem „schlechten Gewissen gegenüber den Alten und Kranken“ in seiner Gemeinde, so der 65jährige, habe er Gehorsam gezeigt. „Mit Ausnahme des Weihnachtsgottesdienstes“ sei von ihm selbst der Sender seit dem November 1988 nicht mehr in Betrieb gesetzt worden. Dessen ungeachtet werden die Gottesdienste aus der Beitenberger Kirche weiter übertragen.
Gegenwärtig muß sich der Priester wegen seiner Schwarzfunkerei vor dem Göttinger Landgericht verantworten. Gegen seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 2.400 Mark durch das Amtsgericht Duderstadt im letzten Jahr hatte van den Brule noch während der Verhandlung Berufung eingelegt. Notfalls will der Angeklagte, der gleich drei Verteidiger mitgebracht hat, bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Dort soll die „Gesetzwidrigkeit“ des Fernmeldeanlagengesetzes geprüft werden. Reimar Paul
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