Greenpeace stoppt Atommülltransport

Greenpeace-Aktion vor dem AKW Unterweser in Esensham erfolgreich/ Atommüll wurde ins Werk zurückgefahren/ Die strahlende Fracht sollte zur Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in England  ■ Aus Bremen B. Ziegenhagen

Eine Nacht- und Nebelaktion des Atomkraftwerks Unterweser in Esensham konnte durch Greenpeace vereitelt werden. Drei Tonnen radioaktiven Atommülls wollte sich die Werksleitung am Montag abend unbemerkt vom Halse schaffen. Womit allerdings keiner gerechnet hatte, war die Hartnäckigkeit der 16 Greenpeace-Aktivisten, die frühzeitig von dem Plan unterrichtet waren. „Wir bleiben solange hier, bis der Transport gestoppt wird“, hatten sie sich vorgenommen.

Um 19 Uhr stellten die Demonstranten einen eisernen Prellbock etwa 60 Meter vor dem AKW auf die Schienen. Vier von ihnen ketteten sich an das Hindernis, zwei zwischen Lok und Waggon des gestoppten Zuges, zwei weitere an das Ende des Wagens. Nach einigem Hin und Her zwischen Demonstranten, Werkschutz und Bundesbahnpolizei wurde die Fracht gestern um 1 Uhr früh schließlich in das Werk zurückgebracht.

„Die Atmosphäre bei den ,Verhandlungen‘ war ungewöhnlich harmonisch“, erzählt Robert Werner, einer der Demonstranten von Greenpeace. „Wir hatten den Eindruck, daß auch die Polizei und der Werkschutz gegen den Atommülltransport sind.“ Besonders empört über den Transport zeigte sich allerdings der Lokführer. Er erfuhr erst durch die Aktion, welche Fracht er da geladen hatte. Weder Werksleitung noch Bundesbahn hatten es für nötig gehalten, ihn vorher zu informieren. Der Kommentar von Robert Werner: „So eine miese Informationspolitik ist leider die Regel in Sachen Atommülltransport.“ Geplant war, daß der Transport über Bremen, Köln, Trier nach Dünkirchen, dann auf der Fähre „Nordpadepale“ nach Dover und von dort aus quer durch London in die Wiederaufarbeitungsanlage bei Sellafield geschafft wird. Allerdings kein Einzelfall: Bis zum Jahre 2000 sollen 200 solcher Fuhren (rund 760 Tonnen) mit strahlenden Abfällen zur Wiederaufarbeitung in den Süden Englands geschafft werden.

Grundlage dafür sind Verträge von AkW-Betreibern, die trotz zahlreicher Proteste in der BRD und England, mit Unterstützung der Bundesregierung im Frühjahr abgeschlossen wurden. Danach wird der Atommülltourismus nach Sellafield und La Hague (Normandie) weiterhin für den nötigen „Entsorgungsnachweis“ sorgen. Von britischen Anwohnern gab es bereits zahlreiche Einwände gegen diese Praxis. Viele von ihnen fürchten um ihre Gesundheit und wollen die von der WAA Sellafield ausgehenden Gefahren nicht länger hinnehmen. Auch bei dieser Greenpeace-Aktion wurden zahlreiche Briefe von Kindern an die Werksleitung überreicht.

„Heute habe ich meinen Freund Jimmy besucht“, schreibt Steven Allis-Smith (15 Jahre) aus Broughton- in-Furness, 25 Kilometer von Sellafield. „Er ist acht Jahre alt und hat noch ungefähr eine Woche zu leben. Er hat Leukämie. Er ist sehr müde jetzt und sieht schrecklich aus.“ Steven weiß, warum so viele Kinder in Cumbria, in der Nähe von Sellafield und an der ganzen Küste Leukämie haben. „Ich glaube, es ist Sellafield, weil all die Kinder mit Leukämie draußen am Strand gespielt haben ...