: „Handelsmächte unfähig“
■ Reinaldo Figueredo, Außenminister Venezuelas, ist ein Sprecher der Gruppe der 15 weniger entwickelten Länder INTERVIEW
taz: Herr Figueredo, wie bewertet die Gatt-Gruppe der 15 weniger entwickelten Länder die Lage bei den GATT-Verhandlungen drei Wochen vor dem geplanten Ministertreffen in Brüssel?
Reinaldo Figueredo: Wir sind zutiefst frustriert. Die Verhandlungen sind paralysiert.
Woran liegt das?
Die Haupthandelsmächte, die sich ursprünglich so stark gemacht haben für das Stattfinden der Uruguay-Verhandlungsrunde, sind unfähig zu den notwendigen politischen Entscheidungen, um den Verhandlungsprozeß weiterzubewegen. In keiner der 15 Verhandlungsbereiche sehen wir Fortschritte.
Konrete Beispiele?
Im Agrarbereich hat die von der EG verschuldete Verzögerung dazu geführt, daß noch überhaupt keine substantiellen Verhandlungen begonnen haben. In der Arbeitsgruppe Textil sind die Aussichten düster: hier werden von den Industriestaaten Positionen vertreten, die weit entfernt sind von den zu Beginn der Uruguay-Runde vereinbarten Zielen einer Öffnung der Märkte. Auch ihre Vorschläge für den Abbau von Zollschranken bleiben weit hinter unseren Erwartungen zurück. Ähnliches gilt für die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen.
Was sind die Erwartungen der G15-Länder?
In der Geschichte multilateraler Verhandlungen sind die Entwicklungsländer oft beschuldigt worden, nur Forderungen zu stellen und selber nichts anzubieten. Die Einseitigkeit und grundsätzliche Illegitimität dieser Behauptungen sind nie klarer zu Tage getreten, als während der laufenden Gatt-Verhandlungen. Trozt Bedenken in einigen Bereichen haben sich die Entwicklungsländer auf die Herausforderungen der Uruguay-Runde eingelassen, zum Teil unter großen Kosten. Eine große Zahl der Entwicklungsländer hat ihren Handel bereits liberalisiert, ohne erst abzuwarten, ob andere Staaten ähnlich handeln. Diese Maßnahmen müssen endlich anerkannt werden.
Wie werden sich die G15-Länder in den verbleibenden Wochen bis zum geplanten Ministertreffen Anfang Dezember in Brüssel verhalten?
Wir werden zunächst weiter verhandeln, in der Hoffnung, doch noch befriedigende Vereinbarungen zu erzielen. Diese müssen allerdings hier in Genf erzielt werden. Wir können unter keinen Umständen akzeptieren, erst in Brüssel ein in letzter Minute von den großen Handelsmächten zusammengeschnürtes Paket von Vereinbarunge auf den Tisch gelegt zu bekommen, in dem unsere Interessen dann nicht berücksichtigt sind. Über die Möglichkeit einer Verlängerung der Gatt-Verhandlungen über Dezember hinaus aber auch über einen Auszug aus der Uruguay- Runde werden wir bis Ende November bei einem Treffen der 15 Außenminister entscheiden.
Interview: Andreas Zumach
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