: Apartheid-Kirche bekennt ihre Schuld
■ Aus Johannesburg Tim Murphy
„Gott hat uns zu diesem Augenblick geführt“, begeisterte sich Erzbischof Desmond Tutu und forderte zu einer Schweigeminute auf. Soeben hatte die Nationale Kirchenkonferenz Südafrikas ein Stück Geschichte erlebt. „Ich bekenne vor euch und vor Gott nicht nur meine eigene Sünde und Schuld und meine persönliche Verantwortung für politisches, soziales, wirtschaftliches und strukturelles Unrecht“, hatte Professor Willie Jonker, führender Theologe der südafrikanischen Staatskirche „Nederduitse Gereformeerde Kerk“ (NGK), erklärt, „sondern ich wage, es auch stellvertretend für die NGK und das ganze Afrikaner-Volk zu tun“.
Nahe dem Städtchen Rustenburg, vor 140 Jahren von Buren, die sich selbst Afrikaner nennen, gegründet, hatten sich in dieser Woche erstmals 250 Vertreter von mehr als 80 Kirchen Südafrikas, die 95 Prozent aller Christen des Landes repräsentieren, versammelt. Katholiken, Protestanten, Baptisten, Methodisten und afrikanisch-spirituelle Kirchen waren vertreten, doch der tiefste Graben verläuft in Südafrika nicht zwischen den Konfessionen, sondern zwischen Apartheid-Verfechtern und -Gegnern. Die einen haben jahrzehntelang die Rassentrennungspolitik als Gottes Willen gesegnet, die anderen haben für ihre Kritik Verleumdung, Haft, Folter und Exil ertragen.
Das Schuldbekenntnis des Buren- Theologen, vom Oberhaupt der NGK am darauffolgenden Tag wiederholt, läutete eine neue Etappe ein auf dem langen Weg in ein gerechteres Südafrika. Und es ist kein Zufall, daß dies auf einem Kirchenforum geschah. Die Kirchen waren viele Jahre lang, bis zur Legalisierung des ANC und anderer Oppositionsgruppen, das einzige legale Sprachrohr der Bevölkerungsmehrheit.
Erstmals wurde auf der Rustenburger Konferenz, die am Freitag zu Ende ging, von Vergebung, Versöhnung und Wiedergutmachung gesprochen, auch wenn viele Skeptiker den Vertretern der frisch geläuterten NGK, bis gestern noch die Glaubenssäule der Apartheid, nicht sogleich um den Hals fallen mochten. Vorsichtig schüttelte man sich beim Tee auf dem Rasen des Hotels „Jägers Rast“ die Hand. Bischof Tutu hatte die Reueerklärung spontan akzeptiert. Und auch Frank Chikane, charismatischer Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates und Kopräsident der Konferenz, meinte mit dem ihm eigenen Lächeln: „Wenn einer zu mir kommt und sagt, er sei ein Mörder, dann schicke ich ihn nicht einfach weg.“ Doch so einfach sind 40 Jahre Trennung und Haß nicht vom Tisch zu fegen. „Ein Schuldbekenntnis ist eine traumatische Erfahrung“, fand NGK-Oberhaupt Pieter Potgieter und bezog Prügel von Südafrikas Rechtsradikalen. Die Konservative Partei hatte sich sogleich von dem „einseitigen und simplistischen Bekenntnis“ distanziert. Ultrarechte Theologen befanden, die im Fernsehen ausgestrahlte Schulderklärung sei „eine große Peinlichkeit für viele NGK- Mitglieder“.
Aus ganz anderen Gründen attackierten auch die Schwesterkirchen der NGK den neuen Glaubenssatz. Noch immer sind die niederländisch- reformierten Kirchen Südafrikas streng nach Rassen getrennt. Für Inder, Schwarze und die sogenannten coloureds (Farbigen) gibt es noch immer getrennte Gotteshäuser — und alle sind verbittert über die weißen Brüder. „Das letzte Mal haben sie ihr Bekenntnis widerrufen“, erinnert sich ein schwarzer Priester, „als wir eine einige, nicht-rassistische Kirche forderten“.
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