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Materialschlachten

■ Über die BRDigung der Leipziger Kinolandschaft

Leipzigs neue Kinokette erblickte ganz unspektakulär das Licht der Welt. Das Unternehmen lief bereits im Frühjahr an, in aller Stille. Mehrere Interessenten klopften bei der Bezirksfilmdirektion (BFD) an, die in den letzten Zügen lag. Immerhin war der Bezirk Leipzig in der Ex-DDR der kinobesuchsstärkste: rund fünf Millionen Zuschauer jährlich. Doch Bochums Kinobesitzer Hans-Georg Rehs bot gleich eine komplette Übernahme an. Nun gehören der Bofiscope (West) 49 Prozent der Filmtheater Betriebe Leipzig GmbH, der Rest liegt bei der Treuhand. Oder der ehemaligen BFD. So genau weiß das nach wie vor niemand.

Die BFD, einst unumschränkte Herrscherin über mehr als sechzig Kinos, gab am 30. Juni ihre Existenz auf. Aus der staatlichen Einrichtung mit jährlich fünf Millionen Mark Zuschuß wurde eine Kapitalgesellschaft, die Gewinn machen muß. Alles kostet jetzt viel zu viel. Der Lohnfonds liegt bei 50 Prozent der der Gesamtausgaben (BRD 25 Prozent) und soll 1991 auf 33 Prozent gesenkt sein. 120 Mitarbeiter sind schon entlassen, 18 Kinos haben dichtgemacht. Bleiben der neuen Kette noch 45 Kinos, zumeist in desolatem Zustand. Die Preise stiegen auf das Dreifache.

Es muß in neue Leinwände investiert werden, also führt Bofiscope als der marktstarke Partner das Regiment. Leipzigs einst bewegte Filmlandschaft droht seither in US- Materialschlachten und Knochenbrecher-Movies zu versumpfen. Hans-Georg Rehs hat halt zu Fred Sorg, dem UIP-General-Manager Deutschland die besten Kontakte.

Im Mai bastelte Bofiscope einen exakten Einsatzplan bis zum Jahresende. Von UIP kommen 23 Produktionen, vom Ex-DDR-Monopolisten Progress 18, Warner steuert acht, Tobis/Neue Constantin fünf, Columbia und Fox je vier, Senator und Arsenal je zwei und Concorde eine Produktion bei. Alle anderen stehen erstmal vor der Tür.

Die Kino-Zukunft nach dem 1.Juli begann mäßig. In Markkleberg kamen im Juli gerade 7.000 Besucher, in Tauche 12.000, in Holzhausen gar nur 3.000. Nicht anders in der Innenstadt: Der Vier- Wochen-Einsatz von „Club der Toten Dichter“ im Casino wurde ein Flop, mit „Rain Man“ (18.000 Besucher in vier Wochen) ging es allmählich aufwärts.

Bofiscope überträgt die Mentalität des Bochumer Kinogängers auf den Leipziger. Das mußte schiefgehen. „In keiner anderen Stadt der ehemaligen DDR funktioniert der Kinobetrieb so wie in Leipzig“, sagt Rehs trotzdem, und er wolle Leipzigs Kinolandschaft nicht einebnen. Aber: „Es gibt zuwenig Leinwände.“ 20.000 Stühle müßten erneuert werden, Leipzig besitzt lediglich zwei Dolby-Ton- Anlagen, geheizt wird vorzugsweise mit Kohle.

Bofiscope will rasch bauen. Im „Wintergarten“ sollen mehrere Kinos samt Ladengeschäften einziehen, ähnliches ist für das „Regina“ vorgesehen. Das Okay der Stadt ist schon gegeben. Der Plan, auf dem Leuschner-Platz ein Kinozentrum mit 16 Leinwänden zu errichten, ist in der Diskussion. Ob dann der Spielplan anders aussehen wird, weiß niemand — Hollywood produziert schließlich genug, um auch diese Chancen für das europäische Kino (Ost wie West) kleinzuhalten. Norbert Wehrstedt

Wir übernehmen diesen Artikel in gekürzter Form 'epd Film‘ 11/90.

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