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Wirtschaftsmisere zwingt zu weiteren Reformen in Albanien

Tirana(afp/taz) — Das albanische Parlament hat am Dienstag ein neues Wahlgesetz verabschiedet, auf Grund dessen sich neben Kandidaten der regierenden kommunistischen „Partei der Arbeit“ auch Unabhängige für einen Parlamentssitz bewerben können. Der Vorsitzende des parlamentarischen Rechtsaussschusses, Gjunkshi, charakterisierte das Gesetz als Anzeichen „für die Vertiefung des demokratischen Prozesses, der von der Gesellschaft in Gang gesetzt worden ist. „Gesellschaft“ meint offensichtlich das Zentralkomitee der „Partei der Arbeit“, von dem der Entwurf stammt. Ebenfalls am Dienstag äußerte sich auch Partei- und Staatschef Ramiz Alia über weitere einschneidende Änderungen der albanischen Verfassung von 1976. Ganz im Schema der bewährten historischen Phaseneinteilung begründete Alia die Verfassungsänderungen damit, daß „die gegenwärtige Etappe der sozialistischen Entwicklung ein Überdenken der Verfassung und das Auswechseln einiger ihrer Bestandteile“ nötig mache. Ali sprach auch davon, daß die Trennung von Partei und Staat anvisiert werden müsse. Ob die „gegenwärtige Etappe“ allerdings die Gründung von Parteien unterschiedlicher Programmatik erlaube, war von Ali nicht zu hören.

Die wirtschaftliche Lage malte der Staatschef und auch sein Premierminister Carcani in düsteren Farben. Albanien befände sich „an der Schwelle zum Notstand“. Alle Indikatoren zeigten an, daß die Produktion im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen sei. Als Ursachen benannte Alia fehlende Rohmaterialien und Vorfabrikate, aber auch die nachlassende Motivation auf Seiten der „Werktätigen“. Um beidem abzuhelfen, werde Albanien 1991 in großem Umfang Rohstoffe einführen, aber auch Grundnahrungsmittel wie Getreide, Zucker, Fette und sogar Kartoffeln. Um die Effektivität der Versorgung zu steigern, hat die albanische Führung bereits in den letzten Monaten den Betrieben eine freilich begrenzte finanzielle Eigenständigkeit gewährt. Seit Juli können Privatunternehmer kleine Betriebe wie Schustereien, Bäckereien oder Fleischereien gründen, in denen allerdings nur Familienmitglieder beschäftigt werden dürfen.

Nachdem jedem albanischen Bürger ein Reisepaß versprochen und die freie Religionsausübung zugesichert worden ist, will die albanische Führung jetzt offensichtlich in vorsichtigen Schritten das politische System selbst reformieren.

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