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■ Renft

Im Mai diesen Jahres haben sie ihren Wiedereinzug in ostdeutsche Konzerthallen wie einen triumphalen Sieg gefeiert. Die Renft's sind nach Hause zurückgekehrt. Eine Heimat hatten sie im westlichen Exil nie gefunden. Die 15 Jahre Westen waren für sie »verlorene Zeit«, wie sie das heute selber formulieren und sich damit ein erstes Armutszeugnis ausstellen. Zu den Verhältnissen dort fiel ihnen nichts ein, aber auch gar nichts. Musik fand im besten Fall als geselligkeitsfördernde Hausmusik statt. Renft, die im Osten auf Texter wie Kurt Demmler und Gerulf Pannach angewiesen waren, folgten einer sozialistischen Tradition arbeitsteiliger Produktionsbeziehungen, die bis in Bereiche des künstlerischen Volksschaffens zu reichen hatte. Die Nur-Musikanten fanden in Westdeutschland keine Sprache. Nicht einmal in der Sehnsucht nach ihrem geliebt-verhaßtem Heimatland DDR.

Um das noch mal kurz in Erinnerung zu rufen: Die Gruppe Renft stand Ende der 70er Jahre (genau bis zu den Krawallen auf dem Alexanderplatz am 7.Oktober 1977) in einem Verhältnis zu den zweiten Nationalhelden Puhdys, wie damals die Stones zu den Beatles, nur daß ihr Musik-Text-Verhältnis genau umgekehrt zu den englischen Göttern war. Renft waren die bösen Buben der Unterhaltungsbranche zwischen Rostock und Suhl. In ihren scheinbar blauäugigen Texten, vom »Gänselieschen« etwa, lachte die Symphatie für den Teufel, der Aufstand und Volksrevolte hieß. Die dazugehörige Musik war melodiös und schmerzlos wie aus der Feder von Paulchen McCartney. Die Puhdys setzten aufs Gegenteil: belanglose Texte mit politisch einwandfreien Vorzeichen und alle Wut (hatten die bestimmt auch!) in die Musik. Die einen wurden Nationalpreisträger, die anderen in den Westen abgeschoben.

Jetzt allerdings wird es wieder spannend! Setzen Renft ihre trübsinnige Erinnerungstour durch die kleineren Klubs fort und präsentieren weiterhin ihre wunderschönen alten Balladen, die immer noch bombastisch volksverbunden sind, oder haben sie den Stachel wiedergefunden, wollen die Ketzer sein, auch wenn sie das »dort« (W) »hier« (O) nun schon wieder eingeholt hat!?

Der Voract 4 Elemint aus Westdeutschland und Brasilien sorgt auf jeden Fall mit Latin Jazz für eine multikulti Ausgewogenheit, damit der Abend sich nicht in teutonischen Heimatirritationen verliert. (ab 22 Uhr im Franz-Club) Micha Möller

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