: »Mit kochender Wut«
■ Zahlreiche Proteste gegen Räumung der »Mainzer«
Berlin. Während in der Mainzer Straße Bauarbeiter vollauf damit beschäftigt sind, das Mobiliar der BesetzerInnen aus den Häusern zu kehren, machen immer mehr Prominente und Nicht-Prominente ihrer Empörung über die polizeilichen Räumungsaktionen Luft. Dreizehn Persönlichkeiten aus dem Kulturleben Berlins forderten gestern eine unabhängige Kommission, die die Ereignisse um die Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße untersuchen soll. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören die Präsidenten der Akademie der Künste West und Ost, Walter Jens und Heiner Müller, die Regisseure Alfred Kirchner und Alexander Lang von den Staatlichen Schauspielbühnen sowie die Intendanten des Deutschen Theaters, der Schaubühne am Lehniner Platz und der Freien Volksbühne, Dieter Mann, Jürgen Schitthelm und Hermann Treusch. Die Kommission soll außerdem Wege zur Überwindung der Konfrontation suchen.
Weitaus drastischere Worte fanden die BewohnerInnen von über 30 inzwischen legalisierten Häusern in Westberlin. »Mit kochender Wut haben wir die unglaublichen Aktionen der Polizeibrigaden gegen die Hausbesetzer Ostberlins verfolgt«, heißt es in einem offenen Brief an den Berliner Senat. Die Ex-BesetzerInnen aus Westberlin fordern die Rückgabe der geräumten Häuser, die Legalisiereung aller besetzten Häuser bis zur Wahl am 2.Dezember, einen sofortigen Räumungsstop und die Freilassung aller Inhaftierten. Andernfalls, so die UnterzeichnerInnen, könnte die Wahl gestört werden, »denn auch der Gutgläubigste kann keinen Unterschied zwischen einem Pätzold und einem Lummer feststellen«.
Massive Kritik an der Räumungspolitik von Innensenator Erich Pätzold kam gestern auch aus den sozialdemokratischen Nachwuchsreihen. Der Landesvorstand der Jusos verurteilte »die Unverhältnismäßigkeit der Polizeiaktionen im Rahmen der Häuserräumungen« und bescheinigte dem Senat »fehlenden politischen Willen für eine friedliche Lösung«. Die Gewalt von Teilen der autonomen Szene, so der Landesvorstand, sei »unakzeptabel und menschenverachtend«, allerdings könne man nicht nachvollziehen, »warum jeder Versuch von Verhandlungen zwischen den Hausbesetzern und der Polizei bzw. den politisch Verantwortichen abgeblockt wurde«.
Empört zeigte sich auch die Berliner Mietergemeinschaft. Die Räumung sei Ausdruck einer verfehlten Wohnungspolitik nicht nur der SED, sondern auch des Berliner Senats.
Offene Protestbriefe an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper richteten unter anderem auch die Schülerschaft und das Lehrerkollegium des Pestalozzi- Fröbel-Hauses sowie die teilnehmerInnen des Seminars für Waldorfpädagogik in Berlin. anb/dpa
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